Österreich 25: Raus aus der Fassade! Rein in die Demokratie!
Wege zur Bürgerdemokratie in Österreich ab 2025
Leitfaden: Von der Parteidominanz zur Bürgerdemokratie in Österreich (2025)
Einleitung: 80 Jahre lang dominierten in Österreich zwei Großparteien (SPÖ und ÖVP) die politische Bühne – so stark, dass viele Bürger das Gefühl haben, ihre Demokratie beschränke sich auf ein Kreuz am Wahltag. Es ist Zeit für einen Wandel hin zu echter Bürgerdemokratie, in der mündige Bürgerinnen und Bürger aktiv mitgestalten. „Das wichtigste Amt in einer Demokratie ist das der Bürgerin“, heißt es treffend in einem aktuellen Demokratie-Projektmehr-demokratie.at. Dieser Leitfaden soll motivieren und aufzeigen, wie jede*r Einzelne den Übergang zu mehr direkter Bürgerbeteiligung mitgestalten kann – durch Bewusstseinsbildung, Nutzung bestehender Beteiligungs-Instrumente, Etablierung von Bürgerräten, Engagement in Reforminitiativen und ganz konkrete erste Schritte im Alltag.
Bewusstseinsbildung: Demokratie verstehen und entmündigende Strukturen erkennen
Österreichs politisches System der Zweiten Republik war lange von Proporz und Parteiherrschaft geprägt – vielfach wurden Posten und Entscheidungen zwischen SPÖ und ÖVP aufgeteilt, was Bürgerbeteiligung an den Rand drängte. Viele Menschen fühlen sich entmündigt und nicht wirklich vertreten. So zeigte der Demokratie-Monitor 2024 alarmierende Zahlen: Fühlten sich 2018 noch 61 % der Bevölkerung im Parlament gut vertreten, sind es derzeit nur mehr 36 %foresight.at. Nur 30 % glauben, dass politische Entscheidungen ihre Anliegen berücksichtigen – fast eine Halbierung gegenüber 57 % im Jahr 2018foresight.at. Diese massive „Repräsentationslücke“ bestätigt das verbreitete Gefühl, dass das bestehende System Bürgerinnen und Bürger oft übergeht. Politikwissenschafter nennen dieses Phänomen eine „Postdemokratie“, in der demokratische Verfahren zwar formal existieren, aber bei grundlegenden Fragen ins Leere laufen und von vielen als irrelevant empfunden werdenmedienportal.univie.ac.at. Mit anderen Worten: Wenn über Jahrzehnte zwei Parteien alle Schlüsselpositionen besetzen und Entscheidungen hinter verschlossenen Türen treffen, bleibt die Bevölkerung als Zuschauer zurück. Ein zynisches Beispiel ist die Blockade direkter Demokratie: 2015 verweigerten SPÖ und ÖVP nach langer Debatte echte Reformschritte – laut Verfassungsgerichtshof-Präsident Holzinger aus “Angst vor einer Entscheidungsmacht der Bevölkerung”, obwohl 80 % der Menschen mehr direkte Mitsprache wolltenmehr-demokratie.at.
Der erste Schritt ist daher Bewusstsein schaffen. Viele Bürgerinnen sind sich gar nicht voll bewusst, wie sehr sie entmündigt wurden und welche Möglichkeiten es gäbe. Aufklärung und politische Bildung spielen hier eine Schlüsselrolle. In Österreich wurde politische Bildung lange vernachlässigt – man ging irrig davon aus, nach 1945 sei die Demokratie “von selbst” wieder daparlament.gv.at. Bis heute gibt es an Schulen kein eigenes Fach für Demokratie/Politikmedienportal.univie.ac.at. Expertinnen fordern daher seit Jahren eine Professionalisierung: 2022 verlangten sogar vier Parlamentsparteien mehr Demokratiebildung und eine bessere Verankerung im Lehrplanparlament.gv.at. Das Ziel: mündige Bürgerinnen* heranzubilden, die kritisch denken und ihr Gemeinwesen mitgestalten könnenmedienportal.univie.ac.at. Es braucht Unterricht, der Konflikte und Kontroversen ausloten lässt und Jugendliche früh in Entscheidungsprozesse einbindetmedienportal.univie.ac.atmedienportal.univie.ac.at. Demokratie lernt man durch Übung. Ein Blick in die Schweiz zeigt, wie geduldig und strukturiert Demokratielernen funktionieren kann: Dort werden junge Menschen von klein auf in Mitbestimmung einbezogen. In einer Schweizer Schule etwa existiert seit über 15 Jahren ein wöchentlicher Schülerrat, in dem Kinder von der Volksschule an lernen, Anliegen zu diskutieren, Lösungen zu erarbeiten und diese sogar an die Gemeindevertretung heranzutragenswissinfo.chswissinfo.ch. Das Resultat: Die Gemeinde setzte aufgrund von Schüler-Vorschlägen bereits Verbesserungen um (z. B. Verlegung einer Bushaltestelle) – die Kinder erfahren also früh, dass ihre Stimme etwas bewirken kannswissinfo.ch. Genauso wichtig ist die regelmäßige Praxis direkter Demokratie in der Schweiz: 3–4 Mal pro Jahr wird über Sachfragen abgestimmtch-info.swiss. Dieses stete Einüben von Mitsprache – vom Klassenzimmer bis zur Bundesabstimmung – schafft ein tief verwurzeltes Demokratiebewusstsein.
In Österreich gibt es erfreulicherweise Ansätze, die man ausbauen kann. Schulen richten vermehrt Projektwochen und Workshops zur Demokratie ein; das Parlament bietet die Demokratiewerkstatt für Jugendliche anparlament.gv.at. Erwachsenenbildung leistet ebenfalls einen Beitrag: Die 256 Volkshochschulen haben 2024 zum “Jahr der Demokratie” erklärt und veranstalten Kurse sowie Diskussionsreihen zu Bürgerrechten, Wahlen, Medienkompetenz und Mitbestimmungvhs.or.atvhs.or.at. Die Volkshochschulen verstehen sich als „Orte, an denen die Nutzung demokratischer Rechte gelernt, geübt und praktiziert werden soll“vhs.or.at – hier können Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen in Trainings, Planspielen oder Gemeinde-Workshops Demokratie erfahren. Auch zivilgesellschaftliche Initiativen organisieren Aufklärungskampagnen: Etwa im Burgenland die Aktion #mitreden – Demokratie erleben, bei der Landtag, Bildungsdirektion und Vereine zusammenarbeiten, um an Schulen und in Gemeinden die Bedeutung von Mitsprache konkret erlebbar zu machenvhs.or.at. Durch solche Programme – gepaart mit unabhängiger Berichterstattung in Medien und kritischer Öffentlichkeit – wächst allmählich das Bewusstsein, dass Demokratie mehr ist als Wahlen, nämlich tägliche Mitgestaltung. Je mehr Menschen erkennen, dass das derzeitige System ihre Mitsprache unnötig einschränkt, desto größer wird der gesellschaftliche Druck für Veränderung. Bewusstseinsbildung braucht Geduld, Struktur und stetige Praxis – aber sie ist der Grundstein für alle weiteren Schritte zur Bürgerdemokratie.
Direkte Beteiligung: Vorhandene Instrumente nutzen und weiterentwickeln
Obwohl Österreich bisher keine so weitgehende direkte Demokratie wie die Schweiz hat, stehen Bürger*innen bereits heute einige Instrumente zur Verfügung, um politisch mitzubestimmen. Diese sollten bekannt gemacht, konsequent genutzt und verbessert werden:
- Wahlen: Sie sind das Grundelement jeder Demokratie. Nutzen Sie Ihr Stimmrecht bei allen Ebenen – von Gemeinde-, Landtags- und Nationalratswahlen bis zur EU-Wahl. Jede Stimme zählt, um Veränderungen anzustoßen. Informieren Sie sich über Kandidat*innen und Parteien, die mehr Bürgerbeteiligung fördern wollen, und geben Sie gezielt Präferenzstimmen (Vorzugsstimmen), um engagierte neue Köpfe ins Parlament zu bringen. Überlegen Sie auch, selbst aktiv zu werden: Auf Gemeindeebene können Bürgerlisten oder unabhängige Kandidaturen antreten – direkt von Bürgern für Bürger. Neue Bewegungen abseits der alten Parteien haben so Chancen, Sitze zu gewinnen und frischen Wind in verkrustete Strukturen zu bringen. Beispiel: In manchen Gemeinden haben engagierte Bürgerlisten den Einzug geschafft und sorgen dort für mehr Transparenz und Einbeziehung der Bevölkerung. Kurz: Gehen Sie wählen – und ermutigen Sie auch Ihr Umfeld, zur Wahl zu gehen – denn „wer nicht gehört wird, geht auch nicht wählen“, wie das Motto einer Demokratie-Initiative lautet.
- Volksbegehren (Bürgerbegehren): Das Volksbegehren ist ein direktdemokratisches Instrument, mit dem Bürgerinnen formal einen Gesetzesvorschlag ins Parlament einbringen können. **Jeder kann ein Volksbegehren starten**, indem zunächst ca. 9.000 Unterstützungserklärungen gesammelt werden und anschließend mindestens 100.000 Stimmberechtigte in einer Eintragungswoche unterschreibenoesterreich.gv.at. Wird diese Hürde erreicht, muss der Nationalrat sich inhaltlich mit dem Anliegen befassen. Der Haken: Volksbegehren sind derzeit rechtlich nicht bindend – das Parlament entscheidet letztlich frei, ob es das Begehren umsetzt oder nichtoesterreich.gv.at. In der Praxis bedeutet dies leider oft, dass selbst sehr erfolgreiche Volksbegehren nach einer kurzen Debatte in den Akten verschwinden. Ein historisches Beispiel: 1982 sprachen sich 1,36 Millionen Österreicher*innen (Rekord!) gegen den Bau des Konferenzzentrums bei der UNO-City aus – dennoch wurde es von der Regierung Kreisky gebautdiepresse.com. Auch aktuell liegen Dutzende Volksbegehren auf – Ende 2022 waren es 64 parallel unterstützbare Petitionen –, doch „unterm Strich haben sie kaum Wirkung“, wie ein Kommentar konstatiertlinza.at. Werden die nötigen 100.000 Unterschriften erreicht, folgt meist nur eine folgenlose Diskussion im Parlament – “eine rechtlich bindende Konsequenz gibt’s nicht”linza.atlinza.at. Diese Ernüchterung hat sogar zur skurrilen Initiative “Sinnloses Volksbegehren” geführt, die 2022 forderte, dass das Parlament künftig alle Volksbegehren ehrlich als “sinnlos” bezeichnen sollelinza.at – natürlich als satirischer Weckruf, um die Dringlichkeit einer Reform aufzuzeigenlinza.at.
Trotz ihrer derzeitigen Schwäche sollten Volksbegehren aber keineswegs ignoriert werden – im Gegenteil: Beteiligen Sie sich an Volksbegehren und nutzen Sie sie als politisches Druckmittel. Jedes Volksbegehren – egal ob letztlich umgesetzt oder nicht – erhöht den öffentlichen Druck zu einem Thema. Einige Volksbegehren erzielten durchaus indirekte Erfolge: So führte das Gentechnik-Volksbegehren 1997 (über 1,2 Millionen Unterschriften) dazu, dass Gentechnik in Lebensmitteln gesetzlich verboten wurdediepresse.com. Und 1969 trug ein SPÖ-Volksbegehren mit fast 900.000 Unterschriften zur Einführung der 40-Stunden-Woche beidiepresse.com. Fordern Sie mit Ihrer Unterschrift Veränderungen ein – und wenn Sie ein Anliegen haben, das die Politik nicht angeht, schließen Sie sich mit Gleichgesinnten zusammen und starten Sie selbst ein Volksbegehren. Auch wenn die Gesetzeslage verbessert werden muss (etwa durch Einführung verbindlicher Volksabstimmungen im Anschluss an erfolgreiche Begehren), sind Volksbegehren aktuell ein wichtiges Signal und Vehikel, um Themen auf die Agenda zu setzen. Ihr Engagement – sei es als Unterstützerin oder Initiatorin – zeigt den Regierenden, wo es brennt.
- Volksabstimmung und Volksbefragung: Neben dem Volksbegehren kennt die Verfassung die Volksabstimmung (bindende Entscheidung durch das Volk) und die Volksbefragung (konsultative, nicht bindende Befragung). Auf Bundesebene gab es bislang nur zwei Volksabstimmungen (1978 über das AKW Zwentendorf, 1994 über den EU-Beitritt)linza.at – beide wurden von der Regierung angesetzt, teilweise infolge öffentlichen Drucks. Auf Landes- und Gemeindeebene erlauben manche Landesgesetze Volksbefragungen zu lokalen Themen; oft müssen diese jedoch von Gemeinderäten initiiert werden. Setzen Sie sich lokal für Volksbefragungen ein, wenn ein wichtiges Projekt ansteht (z. B. ein umstrittenes Bauvorhaben, Verkehrsberuhigung, Gemeindefusion etc.). Häufig reicht schon das Sammeln von Unterschriften oder Druck auf die Gemeindevertretung, um eine Bürgerbefragung vor Ort zu erwirken. Zwar ist eine Volksbefragung rechtlich nicht bindend, aber politisch nur schwer zu ignorieren, wenn eine klare Mehrheit sichtbar wird. Beispiel: 2013 wurde bundesweit die Bevölkerung per Volksbefragung zur Zukunft der Wehrpflicht befragt – das Ergebnis (Beibehaltung der Wehrpflicht) hatte zwar keinen gesetzlichen Automatismus, wurde aber von der Politik faktisch übernommen, weil es als Volkswille galt. Fazit: Nutzen Sie jede Möglichkeit, die Stimme des Volkes einzufordern – sei es in Form einer offiziellen Abstimmung oder Befragung. Gleichzeitig können Sie mithelfen, diese Instrumente zu stärken: Unterstützen Sie z. B. Initiativen, die Volksabstimmungen als verpflichtende Folge erfolgreicher Volksbegehren fordern, damit direkte Demokratie in Zukunft mehr Biss hat.
- Petitionen und Bürgerinitiativen: Auf einfacherer Ebene können Bürgerinnen jederzeit Petitionen einreichen – etwa über die Parlaments-Website oder direkt an politische Gremien. Die parlamentarische Bürgerinitiative (nicht zu verwechseln mit Volksbegehren) erfordert nur 500 Unterschriften und wird dann im Petitionsausschuss des Nationalrats behandeltepicenter.works. Auch hier gilt: rechtlich erzwingen Petitionen nichts, aber sie bringen Anliegen offiziell ins Verfahren. Ein Beispiel aus der Praxis: Der Verein epicenter.works (vormals AK Vorrat) initiierte 2012 eine Bürgerinitiative gegen Vorratsdatenspeicherung, die über 106.000 Menschen unterschrieben – die bislang größte ihrer Art. Als der Petitionsausschuss die Initiative jedoch stiefmütterlich behandelte (insgesamt unter 10 Minuten Beratung) und an den Justizausschuss abschob, starteten die Aktivistinnen kurzerhand eine neue Kampagne: Über die Plattform zeichnemit.at konnten Bürger*innen den Mitgliedern des Justizausschusses direkt E-Mails schreiben und sie bis zur nächsten Sitzung mit dem Anliegen konfrontierenepicenter.worksepicenter.works. “Wir reagieren auf die Weigerung der Abgeordneten mit noch mehr direkter Demokratie!”, erklärte der Aktivist Thomas Lohninger damals kämpferischepicenter.works. Dieser Vorfall zeigt: Man kann Petitionen kreativ Nachdruck verleihen – z. B. indem man Öffentlichkeit herstellt oder Volksvertreter persönlich adressiert.
Auch auf Gemeinde- und Bezirksebene gibt es Petitionsrechte und informelle Wege der Mitsprache. Viele Städte und Gemeinden haben Bürgerfragestunden in Gemeinderatssitzungen, bei denen Einwohner Fragen oder Anliegen vorbringen können. Machen Sie davon Gebrauch, um lokale Themen aufs Tapet zu bringen! Gründen Sie bei Bedarf Bürgerinitiativen vor Ort – also lose Zusammenschlüsse von Anwohnern zu einem konkreten Anliegen (z. B. gegen die Schließung einer Schule, für den Erhalt eines Parks, gegen Umweltbelastungen). Solche Bürgerinitiativen können Unterschriften sammeln, Veranstaltungen organisieren und medial Druck ausüben. In Wien haben sich dutzende lokale Initiativen im Dachverband “Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung” zusammengeschlossen, der seit 2006 parteiunabhängig für verbindliche Bürgerbeteiligung kämpftnetzwerk-demokratie-und-beteiligung.de. Der Erfolg: Durch beharrliches Drängen von unten wurden in Wien mittlerweile Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung entwickelt und bei großen Stadtprojekten Bürgerbeteiligungsverfahren (Infoabende, Workshops, Feedbackrunden) verpflichtend eingebunden. Dieses Beispiel zeigt: Wenn Bürger sich vernetzen und beharrlich Mitsprache einfordern, reagiert auch die Politik allmählich.
Zusammengefasst: Nutzen Sie alle bestehenden Kanäle der direkten Beteiligung! Unterschreiben Sie Volksbegehren und Petitionen, starten Sie lokale Bürgerinitiativen, stellen Sie Anträge in Ihrer Gemeinde, und lassen Sie keine Wahl aus. So senden Sie ein klares Signal, dass Sie nicht länger entmündigt zuschauen, sondern mitentscheiden wollen. Gleichzeitig sollten wir gemeinsam weiterkämpfen, diese Instrumente zu stärken – für eine Zukunft, in der Volksbegehren & Co. echte Entscheidungsgewalt erhalten und Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen selbstverständlich wird.
Bürgerräte und Mitgestaltung: Zufällig geloste Bürgerbeteiligung etablieren
Ein besonders vielversprechender Weg hin zu mehr Bürgerdemokratie ist die Einbindung per Los ausgewählter Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungen. Diese sogenannten Bürgerräte, Bürgerforen oder Bürger:innenversammlungen versammeln eine zufällig geloste, gesellschaftlich breit durchmischte Gruppe von Bürgern, die gemeinsam über Fragen des Gemeinwohls beraten. Das Ziel: Die Vielfalt der Bevölkerung soll abgebildet werden – auch jene Menschen, die sich in der herkömmlichen Parteipolitik kaum wiederfinden. Denn unser Parlament ist kein exaktes Spiegelbild der Gesellschaft: Frauen, junge Leute, Arbeiter, Menschen mit Migrationsgeschichte sind dort unterrepräsentiert; gut situierte Akademiker und Bauern hingegen überrepräsentiertjbi.or.atjbi.or.at. Zudem schrumpft die Mitgliedschaft in Parteien ständig, die politische Meinungsbildung findet in engen Zirkeln stattjbi.or.at. Die Folge ist ein Repräsentationsdefizit: Studien zeigen, dass parlamentarische Entscheidungen die Anliegen der oberen Einkommensgruppen häufiger berücksichtigen als jene der ärmeren Schichtenjbi.or.at. Kein Wunder, dass sich laut Demokratiemonitor in der untersten Einkommensklasse nur 16 % der Menschen im Parlament vertreten fühlen – im obersten Drittel dagegen 61 %jbi.or.at. Dieses Ungleichgewicht schwächt das Vertrauen in die Demokratie, viele empfinden Politik als “Elitenveranstaltung”jbi.or.at.
Bürgerräte können hier gegensteuern, indem sie neue Perspektiven in den politischen Prozess einbringen. Das Losverfahren garantiert Chancengleichheit: Jeder* hat prinzipiell die gleiche Chance, ausgewählt zu werden – unabhängig von Geld, Bildung oder Parteinetzwerken. Schon Aristoteles hielt das Los für demokratischer als Wahlen, denn Wahlen favorisieren begüterte und eloquente Kandidaten, während das Los wirklich jeden einbeziehtjbi.or.at. Moderne Bürgerräte sind allerdings kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zur gewählten Demokratiejbi.or.at. Sie erarbeiten Empfehlungen, keine Gesetze – die Entscheidungsmacht bleibt (vorerst) bei den gewählten Organen. Aber gerade dadurch können etablierte Politiker Bürgerräte auch zulassen, ohne ihre Macht völlig abzugeben. Der Wert von Bürgerräten liegt darin, dass diverse, “normale” Bürger gemeinsam Lösungen erarbeiten, sachlich diskutieren und so der Politik einen unverstellten Blick liefern. Der Dialog in zufällig zusammengesetzten Gruppen entschleunigt die Debatte, verhindert Polter-Populismus und stärkt die konstruktive Mittejbi.or.at. Oft entstehen kreative, mehrheitsfähige Vorschläge, an die Parteienpolitik gar nicht gedacht hätte. Außerdem fördern solche Prozesse bei den Beteiligten selbst den Gemeinsinn und das Vertrauen in die Politikjbi.or.at. Viele Teilnehmer berichten, erst im Bürgerrat verstanden zu haben, wie komplex Entscheidungen sind – Vorurteile schwinden, extreme Positionen glätten sich im Austauschjbi.or.at. Nicht selten entwickeln Bürgerräte auch neue Bürgerleader: Engagierte Menschen, die Geschmack an Politik finden, treten danach eigenständig an die Öffentlichkeit oder kandidieren sogar (Stichwort “Talenteschmiede”)jbi.or.at.
Wie können wir solche Bürgerräte in Österreich etablieren oder ausweiten? Es gibt bereits positive Beispiele im In- und Ausland:
- Vorarlberg – Pionier der Bürgerbeteiligung: Das Bundesland Vorarlberg hat bereits 2005/2006 erste Bürgerräte eingeführt und über Jahre hinweg institutionalisiert. Heute sind dort Bürgerräte fest in der Landesverfassung verankertjbi.or.at. Eine eigene Servicestelle koordiniert die Prozesse. Wichtig: Nicht nur die Politik selbst kann sie einberufen, sondern Bürger*innen können mit 1.000 Unterschriften selbst einen Bürgerrat erzwingenjbi.or.at. So gab es in Vorarlberg schon geloste Bürgerforen zu Themen wie Integration, Mobilität, Klimaschutz und Gemeindeentwicklung. Die Ergebnisse fließen in die Landespolitik ein – nicht bindend, aber mit hohem politischem Stellenwert. Viele Gemeinden Vorarlbergs nutzen inzwischen ebenfalls Bürgerräte, um strittige lokale Fragen durch Bürgerempfehlungen vorzubereiten. Dieses Modell gilt europaweit als Best Practice.
- Baden-Württemberg – gesetzlich geregelte Bürgerbeteiligung: Das deutsche Bundesland Baden-Württemberg hat 2021 ein Gesetz über dialogische Bürgerbeteiligung beschlossenjbi.or.at. Seither können per Los ausgewählte “Zufallsbürger” an strukturierten Beteiligungsprozessen auf Landesebene mitwirken. Eine zentrale Servicestelle stellt Qualitätsstandards sicher. Das Resultat: Umfragen zeigen, dass die Zufriedenheit der Bürger*innen mit der Demokratie in Baden-Württemberg seither höher ist als in allen anderen Bundesländernjbi.or.at. Offene Beteiligung zahlt sich also in Form von Vertrauen aus.
- Ostbelgien – eine permanente Bürgerkammer: Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens (Ostbelgien) ging 2019 noch einen Schritt weiter und richtete eine ständige Bürgerinnenkammer* einjbi.or.at. 24 per Los ausgewählte Bürgerinnen und Bürger fungieren dort für 18 Monate als eine Art zweites Parlament neben dem Gewählten – “Politiker auf Zeit”jbi.or.at. Sie können selbst Themen auswählen, Vorschläge erarbeiten und dem Parlament empfehlen. Zwar entscheidet am Ende weiterhin das gewählte Parlament, aber die Bürgerkammer hat ein institutionelles Gewicht und sorgt dafür, dass Bürgerempfehlungen kontinuierlich einfließen. Dieses Modell – permanente Bürgerbeteiligung mit Rotationsprinzip – gilt als zukunftsweisend. Übertragen auf Österreich könnte man sich z. B. eine ständig tagende Bürgerkammer neben dem Nationalrat vorstellen, die etwa aus 100 gelosten Bürgern besteht und zu Gesetzesvorhaben Stellung nimmt.
- Österreichische Bürgerräte und Zukunftsräte: Auch in Österreich gab es bereits vielversprechende Pilotprojekte. 2021 initiierte ein Bündnis aus Zivilgesellschaft (u. a. Mehr Demokratie!, IG Demokratie, Respekt.net) den ersten österreichweiten Bürgerrat zur Zukunft der Demokratie, genannt Zukunftsrat Demokratie. 20 zufällig ausgewählte Menschen aus allen Bundesländern entwickelten dabei Vorschläge, wie die “Spielregeln” der Demokratie weiterentwickelt werden könntenmehr-demokratie.at. Das Besondere: Dieses Projekt wurde von Bürgerseite selbst organisiert, ohne Auftrag der Politik – ein Beispiel für proaktives Bürgertum. Die Empfehlungen des Zukunftsrats (etwa zur Stärkung direkter Demokratie und Transparenz) wurden der Bundesregierung überreicht und flossen in die öffentliche Debatte ein. 2022 folgte – unterstützt von der Regierung – der Klimarat der Bürger*innen, bei dem 100 zufällig geloste Personen aus ganz Österreich an mehreren Wochenenden Maßnahmen für ein klimagesundes Österreich erarbeitetenklimadashboard.at. Dieser Klimabürgerrat übergab der Politik 93 ausformulierte Empfehlungen im Klimaschutz – von der Verkehrs- bis zur Energiepolitik. Auch wenn die Umsetzung durch die Regierung noch zögerlich ist, hat der Klimarat gezeigt: Bürger können komplexe Themen durchdringen und verantwortungsvolle, gemeinwohlorientierte Vorschläge machen. Solche Prozesse erhöhen den Legitimationsdruck auf die Politik, endlich ambitionierter zu handeln.
- Bürgerbudgets und partizipative Haushalte: Ein weiterer Ansatz zur Bürger-Mitgestaltung sind Bürgerbudgets, bei denen Teile des öffentlichen Budgets direkt von Bürgern verteilt werden. In Wien führte z. B. der 5. Bezirk (Margareten) 2017 ein partizipatives Bezirksbudget als Pilot eindemokratie21.at. Bürger konnten Ideen für ihren Bezirk einreichen (z. B. Begrünungen, Sitzbänke, Spielplätze) und in einem standardisierten Verfahren wurde über die Verwendung einer bestimmten Summe entschieden. Auch Graz hat 2021 ein Bürger:innenbudget gestartet, bei dem gute Bürger-Ideen für die Stadt gesucht und via Online-Plattform sowie Workshops priorisiert wurdenpartizipation.at. Die Stadt Eisenstadt stellt seit kurzem pro Jahr 35.000 € pro Stadtteil bereit; Bürger*innen können Projekte vorschlagen und ein ausgelostes Bürgergremium wählt aus, was umgesetzt wirdpartizipation.at. Diese Beispiele zeigen, dass direkte Mitbestimmung über Finanzen möglich ist – und sie fördern ein Bewusstsein für Gemeinwohl und Kompromisse. Bürgerbudgets sind zudem ein guter Einstieg, um Bürger zur aktiven Teilnahme zu motivieren, weil die Ergebnisse (etwa ein neu gestalteter Park, finanziert aus dem Bürgerbudget) unmittelbar sichtbar sind.
Wie können wir Bürgerräte & Co. nun in ganz Österreich verbreiten? Zunächst, indem wir ihre positiven Wirkungen bekannt machen. Jeder sollte erfahren, dass zufallsbasierte Bürgerbeteiligung kein exotisches Experiment mehr ist, sondern in Vorarlberg, Belgien oder Frankreich (dort gab es 2019/20 einen großen Klimabürgerrat) erfolgreich funktioniert. Informieren Sie Freunde, Familie, Arbeitskollegen über diese Ansätze. Zweitens, indem wir aktiv die Einführung solcher Formate fordern. Fragen Sie z. B. Ihre Gemeindevertretung, ob sie sich vorstellen kann, einen Bürgerrat zu einem lokalen Thema abzuhalten. Weisen Sie Ihre Landtagsabgeordneten auf Vorarlbergs Vorbild hin und verlangen Sie ähnliche Modelle in Ihrem Bundesland. Einige Bundesländer prüfen bereits die Einführung von Bürgerforen – hier lohnt es sich dranzubleiben. Drittens, machen Sie selbst mit, wenn irgendwo ein Bürgerforum stattfindet: Bewerben Sie sich, falls Teilnehmer gesucht werden, oder besuchen Sie öffentliche Präsentationen von Bürgergutachten. Je mehr Bürgerinnen positive Erfahrungen mit solchen Beteiligungsformen sammeln, desto größer wird ihre Akzeptanz. Letztlich sollte das Ziel sein, Bürgerräte gesetzlich zu verankern – etwa durch eine Änderung der Bundesverfassung, die regelmäßige Bürgerversammlungen vorschreibt oder durch Landesgesetze nach Vorarlberger Muster. Bis es soweit ist, können wir aber auch “von unten” Fakten schaffen: Jede Gemeinde, jeder Bezirk kann schon jetzt beschließen, Bürgerforen auszuprobieren – Druck von Bürgerseite kann hier Anschub leisten. Und: Seien wir realistisch, aber beharrlich – Bürgerräte lösen nicht über Nacht alle Probleme und ersetzen nicht die Parlamentejbi.or.at. Aber sie sind hervorragende Schulen der Demokratie (“die stete Einübung in partizipative Demokratie”*jbi.or.at), schaffen direkte Begegnungen zwischen unterschiedlichen Menschen und bringen frischen Gemeinsinn in unsere politische Kultur. Diese langfristige Kulturveränderung ist vielleicht ihr wichtigster Effekt.
Politische Reforminitiativen: Organisationen, Initiativen und Netzwerke unterstützen oder selbst starten
Viele Bürger spüren: Allein ist der Weg zur großen Veränderung schwer. Doch es gibt bereits zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen und Netzwerke, die an Demokratiereformen arbeiten – schließen Sie sich ihnen an! Gemeinsam ist man schlagkräftiger, kann Erfahrungen teilen und Projekte professioneller vorantreiben. Hier eine Auswahl wichtiger Initiativen in Österreich und wie Sie mitmachen können:
- Mehr Demokratie! Österreich: Eine überparteiliche Initiative und Verein, der seit vielen Jahren für die Stärkung der direkten Demokratie kämpftmehr-demokratie.at. Mehr Demokratie entwickelt Reformvorschläge (z. B. ein Modell der dreistufigen Volksgesetzgebung, bei der auf ein Volksbegehren automatisch eine Volksabstimmung folgtmehr-demokratie.at) und macht Lobbying in Richtung Politik. 2013 erzwang Mehr Demokratie eine Enquete-Kommission im Parlament, die monatelang über direkte Demokratie beriet – leider blieben die Regierungsparteien reformresistentmehr-demokratie.at. Doch Mehr Demokratie gibt nicht auf: Mit Kampagnen, Presseaussendungen und Vernetzung mit Opposition und Wissenschaft hält der Verein das Thema am Köchelnmehr-demokratie.at. Wie mitmachen? Besuchen Sie mehr-demokratie.at und abonnieren Sie den Newsletter, spenden Sie (Mehr Demokratie finanziert sich über Bürger-Spenden) oder werden Sie Mitglied. Es gibt Regionalgruppen, z. B. in Vorarlberg, die man kontaktieren kann. Auch organisiert Mehr Demokratie gelegentlich öffentliche Veranstaltungen (etwa das “Mehr Demokratie Camp”). Jeder Unterstützerin zählt, denn Mehr Demokratie verleiht unserem Ruf nach direkter Bürgerdemokratie eine gebündelte Stimme.
- Demokratie21: Eine junge, unabhängige Plattform, die Gespräche über die Zukunft der Demokratie organisiertdemokratie21.at. Demokratie21 versteht sich als Think & Do Tank: parteiübergreifend und gemeinnützig bringt sie verschiedenste Menschen zusammen – Expertinnen, Politiker, Bürger – um konstruktiv über demokratische Innovationen zu diskutierendemokratie21.at. Bekannt ist Demokratie21 vor allem für ihren Podcast und Blog (Serie “Demokratie zum Mitmachen” u. a.), in dem regelmäßig neue Ideen vorgestellt werden: z. B. Losverfahren für Parlamente, Soziokratie als Entscheidungsform, Systemisches Konsensieren statt Mehrheitsprinzip oder partizipative Budgetierung auf Bezirksebenedemokratie21.atdemokratie21.at. Dort kommen auch Vordenkerinnen wie Bruno Kaufmann (Direktdemokratie-Experte aus der Schweiz) oder Tamara Ehs (IG Demokratie) zu Wortdemokratie21.atdemokratie21.at. Wie mitmachen? Hören Sie in den Podcast rein (verfügbar auf der Website), lesen und teilen Sie die Blogbeiträge. Demokratie21 freut sich über Gastbeiträge und Kommentare – Sie können also inhaltlich mitdiskutieren. Außerdem veranstaltet Demokratie21 immer wieder Workshops und Events (teils online) – Infos dazu gibt es im Newsletter. Indem Sie diese Angebote nutzen, erweitern Sie Ihr Wissen und Netzwerk. Demokratie21 zeigt: Es gibt bereits eine Community an Menschen, die an einer besseren Demokratie bauen – schließen Sie sich an!
- IG Demokratie (Initiativgruppe Demokratie) & Wissenschaft: Diese Gruppierung, der Politologinnen wie Dr. Tamara Ehs angehören, setzt sich kritisch mit der Demokratiekultur auseinander und entwickelt innovative Formate der Bürgerbeteiligung. So haben Mitglieder der IG Demokratie das Konzept der “Democracy Repair Cafés” ins Leben gerufenbraveneweurope.com – Veranstaltungen, bei denen Bürgerinnen und Bürger in ungezwungener Atmosphäre mit Expertinnen und Politikerinnen darüber sprechen, was in der Demokratie “repariert” werden muss. Auch an Schulen und Unis engagiert sich die IG Demokratie stark in der politischen Bildung. Sie war Mitinitiatorin des Zukunftsrats Demokratie 2021mehr-demokratie.at. Wie mitmachen? Die IG Demokratie ist ein loses Netzwerk – am besten verfolgen Sie die Publikationen und Vorträge von Tamara Ehs (auf Twitter/X unter @Tamara_Ehs) oder besuchen Sie Veranstaltungen, wo IG-Demokratie-Leute referieren. Oft arbeiten sie mit anderen Organisationen (wie Mehr Demokratie oder Respekt.net) zusammen. Bringen Sie sich mit Ihren Ideen ein – ob als Studentin, Lehrkraft oder einfach interessierter Bürgerin – und knüpfen Sie Kontakte zu diesen Demokratie-Expert*innen.
- epicenter.works (vormals Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung): Diese NGO versteht sich als digitale Grundrechtsorganisation, kämpft also für Datenschutz, freiheitliche Internetpolitik und transparente Überwachungsgesetzeepicenter.worksdemokratieindex.at. Was hat das mit Bürgerdemokratie zu tun? Sehr viel – denn ohne digitale Bürgerrechte kann moderne Demokratie nicht funktionieren (Stichwort Überwachung, freie Meinungsäußerung online). Epicenter.works zeigt exemplarisch, wie zivilgesellschaftlicher Protest Erfolge erzielen kann: Siehe das oben erwähnte Beispiel der Petition gegen Vorratsdatenspeicherung, das letztlich dazu beitrug, dass die EU-Richtlinie gekippt wurde. Epicenter betreibt die Plattform zeichnemit.at, eine Art Tool, mit dem Bürger einfach E-Mails an Politiker senden können – ein Mittel direkter digitaler Partizipationepicenter.worksepicenter.works. Außerdem veröffentlicht epicenter.works Analysen, organisiert Kampagnen (etwa gegen den „Überwachungspaket“-Gesetzesentwurf 2017) und schult Bürger in digitaler Selbstverteidigung. Wie mitmachen? Besuchen Sie epicenter.works und nutzen Sie die dortigen Aktionen: Unterschreiben Sie offene Briefe, beteiligen Sie sich an E-Mail-Aktionen an Abgeordnete oder spenden Sie. Als technisch versierte Person können Sie sich ehrenamtlich einbringen (Programmierer, Datenanalysten etc. sind gesucht). Aber auch als Laie können Sie Veranstaltungen besuchen – z. B. Webinare zur digitalen Demokratie. Epicenter.works zeigt, dass Online-Partizipation ein Machtfaktor sein kann, wenn man sie geschickt einsetzt.
- Demokratie-Plattformen und Netzwerke: Darüber hinaus existiert eine Vielzahl kleinerer Initiativen, die Sie je nach Interesse unterstützen können. Ein paar Beispiele: Respekt.net – eine Crowdfunding-Plattform, die speziell gesellschaftspolitische Projekte finanziert (dort können Sie demokratiebezogene Projekte mit kleinen Beträgen fördern oder eigene Ideen einstellen). Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung – bereits erwähnt, als Wiener Netzwerk lokaler Bürgerinitiativen, freut sich immer über neue engagierte Bürger, die in ihrer Nachbarschaft etwas bewegen wollen. Netzwerk Demokratie und Beteiligung – ein überregionales deutschsprachiges Netzwerk, das Wissen zu Bürgerbeteiligung bündelt (es gibt Online-Diskussionsforen und Newsletter, um von Erfahrungen anderer Städte und Länder zu lernen). Mehr Demokratie International/Democracy International – vernetzt die Direktdemokratie-Bewegungen in verschiedenen Ländern; hier kann man europaweit mitstreiten (z. B. für bessere Europäische Bürgerinitiativen). Selbst Organisationen wie epu/“Mehr Demokratie in Vorarlberg” (ein regionaler Arm von Mehr Demokratie) oder Forum Informationsfreiheit (kämpft für ein starkes Transparenzgesetz) sind Teil des Öko-Systems.
Die Auswahl ließe sich fortsetzen – wichtig ist: Finden Sie die Initiative, die zu Ihnen passt, und machen Sie mit! Ob als zahlendes unterstützendes Mitglied, als freiwillige Helferin bei Events, als Teilnehmer an Arbeitsgruppen oder einfach als Multiplikator, der deren Anliegen verbreitet – jede Form des Engagements hilft. Sie können natürlich auch eigene Initiativen starten, wenn Sie eine Lücke entdecken. Tatsächlich entstehen in Österreich immer wieder neue Bewegungen, z. B. jüngst Bürgerinitiativen für Klimagerechtigkeit, Antikorruptionsvolksbegehren, Initiativen für ein Wahlrecht ohne Hürden, und vieles mehr. Oft helfen etablierte NGOs gerne mit Rat und Infrastruktur, um neue Ideen hochzuziehen. Vernetzen Sie sich – moderne Demokratiebewegung ist Teamarbeit. Und vor allem: Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Veränderungen Zeit brauchen. Die genannten Organisationen arbeiten teils seit über 10 Jahren beharrlich daran, Österreich demokratischer zu machenmehr-demokratie.at. Dank ihnen ist das Thema heute sichtbar – dieser Einsatz trägt Früchte, wenn immer mehr Bürger sich anschließen.
Konkrete erste Schritte für jeden Einzelnen (2025): Jetzt aktiv werden!
Zum Abschluss nun ganz praktische Tipps, was Sie persönlich sofort tun können, um vom Zuschauenden zum Mitgestaltenden zu werden. Demokratie lebt vom Tun – legen wir los:
1. Informieren Sie sich unabhängig und vielseitig: Wissen ist Macht – wer gut informiert ist, lässt sich weniger entmündigen. Lesen Sie über die Hintergründe politischer Entscheidungen und die Möglichkeiten der Mitsprache. Nutzen Sie qualitätsvolle Medien und Plattformen: z. B. den Demokratie-Monitor (jährliche Studienergebnisse über die Stimmung der Jugend und Bevölkerungparlament.gv.atparlament.gv.at), Berichte der Parlamentskorrespondenz (z. B. zu Vertrauensstudienparlament.gv.at), oder Dokumentationen wie die Webseite politik-lernen.at (Zentrum polis) mit Infos zu politischen Rechten. Seien Sie kritischer Medienkonsument: Informieren Sie sich nicht nur über die großen Parteizeitungen, sondern auch über alternative Kanäle – vom Neos Lab Blog über zivilgesellschaftliche Magazine bis hin zu internationalen Demokratie-News (etwa swissinfo berichtet oft über direkte Demokratie). Eine tolle Quelle sind die Podcasts & Blogs von Demokratie-Initiativen (siehe Demokratie21 oder der Podcast “Erklär mir die Demokratie”). Dort erhalten Sie Einblick in Ideen, die in Mainstream-Medien selten Platz finden. Je mehr Sie über Mitbestimmung erfahren, desto sicherer können Sie argumentieren und überzeugen – und desto weniger läuft man Gefahr, populistischen Schlagwörtern aufzusitzen.
2. Demokratie (aus)üben – Bilden Sie sich fort: Suchen Sie aktiv nach Bildungsangeboten zum Thema Demokratie. Viele Volkshochschulen bieten 2024/25 Schwerpunktthemen an – z. B. Kurse zu Verfassung und Grundrechten, Diskussionsrunden zu Medienkompetenz, Workshops zu “Wie gründe ich eine Bürgerinitiative?”. Nehmen Sie an solchen Kursen teil – sie sind oft kostengünstig oder sogar gratis und bieten Gelegenheit, Gleichgesinnte kennenzulernen. Auch politische Akademien oder Stiftungen (aller Parteien) haben offene Seminare zu Bürgerbeteiligung. Nutzen Sie die Demokratiewerkstatt (vor allem mit Kindern/Jugendlichen – das Parlamentsangebot kann auch von Schulklassen oder Familien besucht werden, um Politik spielerisch zu lernen). Machen Sie einen Ausflug ins Parlament: Die neuen Räumlichkeiten nach der Renovierung sind öffentlich zugänglich, es gibt Ausstellungen zur Demokratiegeschichte. Vor Ort spürt man: Das Parlament ist das Haus der Bürger. Scheuen Sie sich nicht, in Diskussion zu treten – z. B. auf Veranstaltungen wie den “Langen Tag der Demokratie”, den manche Gemeinden veranstalten. Jeder solcher Bildungsimpulse stärkt Ihre demokratische Handlungskompetenz.
3. Nutzen Sie digitale Tools für Beteiligung und Transparenz: Im Internet-Zeitalter war es noch nie so einfach, sich einzubringen. Werden Sie aktiv auf Online-Beteiligungsplattformen. Beispiele: Auf meinparlament.at (oder der Demokratie-App) können Sie Fragen an Abgeordnete stellen und deren Antworten einsehen. Auf Offene Petition (openpetition.eu) können Sie eigene Petitionen starten oder unterzeichnen – die Plattform leitet erfolgreiche Petitionen an die zuständigen Behörden weiter. Schauen Sie auf beteiligung.gv.at vorbei: Hier informiert die Regierung über Gesetzesvorhaben, die in Begutachtung sind. Jeder Bürger kann im Begutachtungsverfahren Stellungnahmen abgeben – nutzen Sie diese Möglichkeit, um Ihre Meinung zu Gesetzesentwürfen schriftlich einzubringen (das geht per E-Mail an die im Begutachtungsedikt angegebene Adresse; viele wissen gar nicht, dass sie das dürfen!). Tools wie FragDenStaat (in Österreich: fragdenstaat.at oder frage-den-staat.at) ermöglichen es Ihnen, Informationen von Behörden anzufragen – eine transparente Verwaltung ist Voraussetzung, damit Bürger sinnvoll mitreden können. Wenn Sie Social Media nutzen: Folgen Sie dort nicht nur Politikern, sondern auch Demokratie-Aktivisten, Journalisten und Initiativen – z. B. auf Twitter/X Accounts wie @mehr_demokratie, @epicenter_works, @IGDemokratie etc. Teilen und liken Sie wichtige Petitionen oder Veranstaltungen – so verbreitet sich die Bewegung.
4. Vernetzen Sie sich in Ihrer Gemeinde oder Nachbarschaft: Demokratie beginnt vor der Haustür. Schauen Sie, welche Bürgergruppen es lokal schon gibt – vom Elternverein über Umweltgruppen bis zur Kulturinitiative – und schließen Sie sich an, wenn sie für mehr Mitbestimmung eintreten. Viele Gemeinden haben eine Lokale Agenda 21 oder ähnliche Initiativen, wo Bürger Projekte für ein besseres Zusammenleben entwickeln (z. B. begrünt jemand gemeinsam Hausfassaden oder plant einen Radweg im Grätzel)demokratie21.at. Solche Prozesse brauchen engagierte Leute – machen Sie mit, es lohnt sich! Organisieren Sie Stammtische oder Gesprächsrunden zum Thema Demokratie. Warum nicht in Ihrem Ort ein regelmäßiges “Demokratie-Café” abhalten, wo Bürger über politische Anliegen sprechen? Laden Sie auch mal Gemeindevertreter dazu ein – der direkte Draht bewirkt oft Wunder und erhöht den gegenseitigen Respekt. Nutzen Sie Nachbarschaftsplattformen (wie fragnebenan.com in Wien oder lokale Facebook-Gruppen), um Mitstreiter für Anliegen zu finden. Vielleicht möchten Sie auch einen Bürgerbeteiligungs-Workshop initiieren: In Zusammenarbeit mit der Gemeinde kann man Experten einladen, die moderieren, wie Bürger Ideen für den Ort entwickeln. Kurzum: Knüpfen Sie lokale Netzwerke. Demokratie wird greifbar, wenn man Gesichter kennt und gemeinsam konkrete Verbesserungen erzielt.
5. Bringen Sie Ihre Anliegen ein – direkt und konstruktiv: Haben Sie ein konkretes Anliegen? Warten Sie nicht darauf, dass “die da oben” es entdecken. Ergreifen Sie die Initiative. Schreiben Sie Leserbriefe oder Blogbeiträge, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Reichen Sie Bürgeranliegen im Gemeinderat ein (viele Kommunen ermöglichen formlos, Vorschläge einzubringen, die dann zumindest behandelt werden müssen). Nutzen Sie Ihr Recht, Petitionen an Parlamente zu richten – formulieren Sie Ihr Anliegen schriftlich und schicken Sie es ans zuständige Parlament oder überreichen Sie es persönlich mit Unterschriften. Suchen Sie den persönlichen Dialog mit Mandatar*innen: die E-Mail-Adressen aller Nationalratsabgeordneten sind öffentlich (vorname.nachname@parlament.gv.at). Schreiben Sie Ihrer Abgeordneten höflich, warum Ihnen z. B. eine Demokratiereform am Herzen liegt. Sie werden erstaunt sein: Oft kommt eine inhaltliche Antwort. Einige Abgeordnete berichten, dass gut argumentierende Bürger-E-Mails sie durchaus beeinflussen – schließlich wollen sie wiedergewählt werden. Direkte Ansprache wirkt. Auch der Kontakt mit Gemeinde- oder Landespolitiker*innen ist oft einfacher als gedacht – viele haben regelmäßige Sprechstunden. Nutzen Sie solche Möglichkeiten, um Ihre Stimme Gehör zu verschaffen. Wichtig: bleiben Sie sachlich, aber bestimmt. Wenn Politiker merken, dass Bürger informiert sind und konstruktive Lösungen einfordern, nimmt man sie ernst.
6. Wählen Sie nicht nur – kandidieren Sie vielleicht selbst!: Ein ultimatives Mittel der Bürgerdemokratie ist, selbst für ein Amt zu kandidieren. Das mag zunächst groß klingen, aber gerade auf Gemeindeebene oder in Interessenvertretungen (Arbeiterkammer, Schulbehörden etc.) stehen Bürgerlisten hoch im Kurs. Überlegen Sie, ob Sie sich mit Gleichgesinnten zusammentun und etwa bei der nächsten Gemeinderatswahl eine unabhängige Bürgerliste aufstellen. Viele Gemeinden – vor allem kleinere – werden ohnehin abseits der Parteipolitik von Listen beschickt. Warum also nicht die Agenda “mehr Demokratie” direkt in den Gemeinderat tragen? Es gibt Beispiele erfolgreicher Bürgerlisten, die dann Transparenzsatzungen eingeführt oder Gemeindeversammlungen erwirkt haben. Und selbst wenn Sie nicht gleich ein Mandat anstreben: Unterstützen Sie Kandidat*innen, die glaubwürdig für Bürgerbeteiligung eintreten. Das kann durch aktive Wahlkampfhilfe sein oder indem Sie im Gespräch in Ihrem Umfeld betonen, wie wichtig es ist, frischen Wind in die Vertretungen zu bringen. Demokratie lebt vom ständigen Erneuerungsimpuls – heute mehr denn je brauchen wir engagierte Bürger in den Institutionen.
7. Bleiben Sie am Ball und halten Sie die Demokratie lebendig: Egal ob kleiner Erfolg (z. B. Ihre Gemeinde richtet erstmals einen Beteiligungs-Workshop aus) oder Rückschlag (ein Volksbegehren verpufft im Parlament) – bleiben Sie dran. Feiern Sie Erfolge im Kleinen: Jedes neue Begegnungsformat, jede zusätzliche Transparenzregelung, jede Senkung eines Beteiligungsquorums ist ein Schritt Richtung Bürgerdemokratie. Teilen Sie positive Beispiele (wie jene in diesem Leitfaden) in sozialen Netzwerken, damit mehr Menschen sehen, dass Wandel möglich ist. Bilden Sie Allianzen – Demokratiebewegung ist kein Parteienkampf, sie vereint Menschen aus allen Lagern, die die gemeinsame Vision haben, die Demokratie den Bürgern zurückzugeben. Das verbindet! Wenn viele an vielen Orten kleine Veränderungen anstoßen, ergibt das am Ende einen großen Wandel. Denken wir daran: Die Schweizer direkte Demokratie wurde auch über 150 Jahre hinweg Schritt für Schritt ausgebaut – Österreich kann das ebenso, wenn wir beharrlich und einig sind.
Schlusswort: Die Herausforderung, eine 80-jährige Parteidominanz zu durchbrechen, mag gewaltig erscheinen. Doch Demokratie ist niemals ein Geschenk “von oben” – sie wird von den Bürgerinnen und Bürgern selbst erkämpft und ständig erneuert. Nutzen wir die Gunst der Stunde: 2025, 80 Jahre nach Wiedererrichtung der Republik, können wir ein neues Kapitel aufschlagen – hin zu einer Demokratie, die diesen Namen verdient, weil wir alle sie tagtäglich mit Leben füllen. Jeder Beitrag zählt: vom Gespräch im Familienkreis bis zur Unterschriftensammlung, vom Bürgerrat bis zur Wahlurne. Beginnen wir jetzt, Demokratie zu machen, nicht nur über sie zu reden. Wenn genug Menschen diesen Weg gehen, wird aus der “Parteien-diktatur” tatsächlich Schritt für Schritt eine echte Bürger-demokratie – eine Demokratie, in der mündige Bürgerinnen und Bürger die Gegenwart und Zukunft als ihr gemeinsames Projekt begreifen und gestalten.
Quellen:
- Demokratie-Monitor 2024 – Jugend- und Gesamtbevölkerung zu politischer Vertretungforesight.atparlament.gv.at
- Tamara Ehs im Interview zur Demokratiekrise und “Postdemokratie”medienportal.univie.ac.at
- Mehr Demokratie! Presseaussendung zu direkter Demokratie, Zitat Holzingermehr-demokratie.at
- Parlament Österreich: Politische Bildung seit 1945, Reformbedarfparlament.gv.atparlament.gv.at
- Universität Wien Interview Lange: fehlendes Politikfach, Methodenmedienportal.univie.ac.atmedienportal.univie.ac.at
- Swissinfo: Demokratie-Praxis in Schweizer Schule (Trogen)swissinfo.chswissinfo.ch
- ch-info: Häufigkeit von Volksabstimmungen in der Schweizch-info.swiss
- Volkshochschulen Schwerpunkt Demokratie 2024vhs.or.atvhs.or.at
- Burgenland #mitreden-Initiative (VHS)vhs.or.at
- Demokratie Monitor: Repräsentationslücke seit 2018foresight.at
- Parlamentskorrespondenz 2025: Nur 36 % fühlen sich vertretenparlament.gv.at
- Allgemeines zu Volksbegehren, Rechtslage (oesterreich.gv.at)oesterreich.gv.atoesterreich.gv.at
- Die Presse: Größtes Volksbegehren 1982 unbeachtetdiepresse.com; Gentechnik-Begehren 1997 mit Erfolgdiepresse.com; 40h-Woche Begehren 1969diepresse.com
- Linza.at: “64 Volksbegehren liegen auf, kaum Wirkung, nicht bindend”linza.atlinza.at; “Sinnloses Volksbegehren” als Reformaufruflinza.atlinza.at
- Epicenter.works/AKVorrat: Umgang mit größter Bürgerinitiative 2012epicenter.worksepicenter.works
- Netzwerk Demokratie: Aktion 21 – Entstehung und Zielenetzwerk-demokratie-und-beteiligung.de
- JBI-Artikel Tamara Ehs: soziale Schieflage im Parlamentjbi.or.atjbi.or.at
- JBI-Artikel: Vorarlberg, B-W: Bürgerbeteiligung institutionalisiertjbi.or.atjbi.or.at
- JBI-Artikel: Nutzen von Bürgerräten (Mitte stärken, Vertrauen)jbi.or.atjbi.or.at
- Demokratie21 Podcast-Themen: Losverfahren, Soziokratie, Budget in Wiendemokratie21.atdemokratie21.at
- Zukunftsrat Demokratie Kampagne: “wichtigstes Amt ist Bürgerin”, Selbstorganisationmehr-demokratie.atmehr-demokratie.at
- Zukunftsrat Initiatoren: Respekt.net, IG Demokratie, Mehr Demokratiemehr-demokratie.at
Quellen