Wiener Cafe 1925 – 2025

Ein Caffe Dialogstück in sechs Szenen

☕ Dialoge im Wiener Kaffeehaus

1925 – Karl Kraus

Kaffeehaus Griensteidl, Rauchschwaden, die „Fackel“ liegt auf dem Tisch.
Kraus: „Die Wiener Kultur ist nichts als eine Maskerade. Man nennt’s Bildung, es ist aber nur Besserwisserei im Dreivierteltakt.“
Gast: „Aber Herr Kraus, die Menschen lieben doch die Operette.“
Kraus: „Gerade das ist das Verbrechen: Sie lachen, wo sie weinen müssten.“


1937 – Schatten vor dem Abgrund

Café Central, gespannte Atmosphäre, Radiomeldungen über Hitlers Deutschland.
Kellner: „Die Kultur lebt weiter, Herrschaften. Die Philharmoniker spielen morgen Strauss.“
Gast: „Strauss oder Strauß – ist eh wurscht, Hauptsache marschfähig.“
Alte Dame: „In Wien tanzt man immer, selbst am Abgrund.“


1968 – Thomas Bernhard & Helmut Qualtinger

Café Hawelka, dichter Rauch, hitzige Stimmen.
Bernhard: „Alles hier ist verrottet. Diese Stadt ist ein Friedhof, in dem die Lebenden auf den Gräbern sitzen.“
Qualtinger (grinsend): „Na geh, Thomas! Wien ohne Fäulnis wär wie ein Beisl ohne G’spritzten. Uns’re Kultur is eben der grantige Charme.“
Bernhard: „Ein Charme, der stinkt.“
Qualtinger: „Ja eh. Aber immerhin stinkt er nach uns.“


2000 – Wien im EU-Zeitalter

Café Landtmann, Laptops neben Melange.
Politiker: „Wien ist Kulturhauptstadt Europas!“
Qualtinger-Geist (im Hintergrund): „Kulturhauptstadt? Heast, ihr verkauft den Schmäh wie Mozartkugeln.“
Studentin: „Mir kommt’s vor wie ein Museum, in dem man noch Eintritt fürs Staubwischen zahlt.“


2015 – Zwischen Nostalgie und Globalisierung

Café Prückel, Touristinnen fotografieren die Decke.*
Junger Student: „Wir lernen mehr über Wien auf Instagram als in der Uni.“
Professor: „Wiener Kultur ist der Export von Nostalgie.“
Touristin: „So cute, so authentic!“
Student (flüstert): „Authentisch ist höchstens der Schimmel auf der Torte.“


2025 – KI im Kaffeehaus

Café Digitaal, jeder Tisch mit Tablet, Espresso und Datenbrille.
Gustaf (KI-Stimme): „Wiener Kultur: Archiv der Vergangenheit, Simulation der Gegenwart, Algorithmus der Zukunft.“
Josef: „Und was bleibt echt?“
Gustaf: „Vielleicht der Kaffee. Wenn er nicht schon von Nestlé aus dem 3D-Drucker kommt.“
Alle lachen bitter.

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