The 1-Hour POLITICAL Leader – Die Ursachen des Ukraine Konflikts

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Zusammenfassung:

  • Historische Faktoren: Jahrhundertelange Fremdherrschaft über die Ukraine führte zu starken Unabhängigkeitsbestrebungen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 wurde die Ukraine souverän; innenpolitische Entwicklungen (wie die Orange Revolution 2004 und der Euromaidan 2013/14) verstärkten den Westkurs des Landes. Russlands Annexion der Krim 2014 und der von ihm unterstützte Konflikt im Donbas markieren den Beginn der aktuellen Krise​bpb.de.
  • Politische Faktoren: Die Ukraine befindet sich geopolitisch im Spannungsfeld zwischen EU/NATO und Russland. Kiews Annäherung an EU und NATO kollidiert mit Moskaus Anspruch, die Ukraine in seiner Einflusssphäre zu halten ​bpb.de. Der Westen fördert demokratische Reformen und Integration, während Putin einen neuen russischen Expansionismus verfolgt und die staatliche Souveränität der Ukraine grundsätzlich infrage stellt ​blaetter.de.
  • Wirtschaftliche Faktoren: Im Hintergrund stehen Rohstoff- und Energieinteressen. Die Ukraine ist reich an Bodenschätzen (etwa Gas, Metalle, seltene Erden) und wichtiges Transitland für russisches Gas nach Europa​zdf.de. Europas hohe Energieabhängigkeit von Russland (vor dem Krieg ~40 % des Erdgases​bpb.de) spielt eine Rolle, ebenso wie der Sanktionskrieg, der seit 2014 die wirtschaftlichen Beziehungen belastet.
  • Militärische Faktoren: Die NATO-Osterweiterung seit den 1990er Jahren schürt in Russland Ängste vor Einkreisung. Moskau beharrt auf seinen Sicherheitsinteressen und fordert, dass die Ukraine neutral bleibt und keine NATO-Infra­struktur auf ihrem Gebiet entsteht. Gleichzeitig haben westliche Staaten die Ukraine militärisch aufgerüstet (Training, Waffenlieferungen) – aus russischer Sicht ein rotes Tuch, aus westlicher Sicht Unterstützung zur Selbstverteidigung Kiews.

Historische Ursachen

Ukrainische Unabhängigkeitsbestrebungen: Die Ukraine war über Jahrhunderte fremdbeherrscht – unter anderem vom Russischen Zarenreich und der Sowjetunion – was ein starkes nationales Freiheitsstreben hervorrief. Bereits nach 1917 entstand eine Ukrainische Volksrepublik, doch diese wurde nach kurzer Zeit von der Roten Armee zerschlagen; die Bolschewiki integrierten die Ukraine als Sowjetrepublik in die UdSSR​

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. Zuvor hatten russische Herrscher jegliche ukrainische Eigenstaatlichkeit negiert – Ukrainern wurde der Status einer eigenständigen Nation abgesprochen („Kleinrussen“ als Teil eines dreieinigen russischen Volkes) und ihre Sprache zeitweise verboten​

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oeaw.ac.at. Erst 1991 erlangte die Ukraine mit dem Zerfall der Sowjetunion wieder die Souveränität – diesmal international anerkannt​

blaetter.de. In einem Referendum im Dezember 1991 stimmten über 90 % der Ukrainer für die Unabhängigkeit​

www1.wdr.de, auch in traditionell russischsprachigen Gebieten. Diese historische Erfahrung – eine lange verweigerte Eigenstaatlichkeit endlich verwirklicht zu haben – bildet den Hintergrund für den starken Willen, die nationale Souveränität zu verteidigen.

Postsowjetische Entwicklung: Die ersten Jahrzehnte der Ukraine als unabhängiger Staat waren von der Suche nach einer politischen und wirtschaftlichen Orientierung geprägt. Innenpolitisch kämpfte das Land mit Korruption und der Macht der Oligarchen

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, während sich die Bevölkerung teils westlich (v.a. in der Zentral- und Westukraine), teils russisch orientierte (v.a. im Osten und Süden). Dennoch entwickelten sich demokratische Strukturen: 2004 verhinderte die Orange Revolution mittels Massenprotesten eine manipulierte Wahl und führte zu einer pro-westlichen Regierung. Ein erneuter Wendepunkt war der Euromaidan 2013/14: Präsident Janukowytsch stoppte auf Druck Moskaus ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU, was landesweite Proteste für einen Westkurs auslöste. Im Februar 2014 eskalierte die Lage, die Sicherheitskräfte schossen auf Demonstranten; Janukowytsch floh daraufhin aus dem Land. Diese Revolution der Würde markierte den klaren Bruch der Ukraine mit einer russlandhörigen Politikrichtung.

Annexion der Krim 2014: Unmittelbar nach dem Regierungswechsel in Kiew schlug Russland militärisch zu. Im März 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim und verleibten sie – gegen massiven internationalen Protest – Russland ein. Putin rechtfertigte dies mit dem (völkerrechtswidrigen) Verweis auf Selbstbestimmung und Schutz der russischsprachigen Bevölkerung; de facto sicherte sich Moskau damit seinen Schwarzmeer-Stützpunkt und strategischen Einfluss. Die Krim-Annexion war der erste gewaltsame Gebietserwerb in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg – ein Schock für die globale Ordnung. Fast zeitgleich entflammte im Donbas (Ostukraine) ein von Russland angeheizter Konflikt: Separatisten riefen mit russischer Unterstützung die „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk aus. Es begann ein jahrelanger Krieg in der Ostukraine, der allein bis Anfang 2022 über 14.000 Todesopfer forderte​

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. Aus ukrainischer Sicht begann Russlands Aggression somit bereits 2014, nicht erst mit der Invasion 2022​

bpb.de. Diese historischen Einschnitte – Verlust der Krim, anhaltender Krieg im Osten – prägten das ukrainische Bewusstsein und verschärften die Konfrontation mit Russland.

Politische Ursachen

Ukraine zwischen EU/NATO und Russland: Die geografische und kulturelle Lage der Ukraine macht sie zu einem geopolitischen Zwischenraum zwischen Ost und West. Seit der Unabhängigkeit balancierte Kiew zwischen Integrationsbestrebungen in euro-atlantische Strukturen und der traditionellen Bindung an Russland. Ab den 2000er Jahren verstärkte sich die Westorientierung: Die Ukraine strebte eine Annäherung an die Europäische Union an (Handelsabkommen, Visaliberalisierung) und kooperierte mit der NATO (Teilnahme an Partnerschaftsprogrammen, Modernisierung der Armee). Dieser Westkurs kollidierte mit russischen Interessen. Moskau betrachtet die Ukraine historisch als Teil seines Einflussgebietes und reagierte empfindlich auf jede westliche Einbindung Kiews. Als die ukrainische Regierung 2013 ein EU-Assoziierungsabkommen abschließen wollte, baute Russland massiv Druck auf – es verhängte Handelssanktionen und warb die Ukraine ab, stattdessen seiner Eurasischen Wirtschaftsunion beizutreten. Die prowestliche Revolution 2014 und der folgende Politikwechsel in Kiew (hin zu EU- und NATO-Orientierung, weg von russischer Dominanz) stellten daher eine fundamentale politische Ursache der Konfrontation dar. Die Ukraine sieht ihre Zukunft in Europa; Russland versucht, dies zu verhindern und die Ukraine in seinem Orbit zu halten.

Einfluss des Westens vs. russischer Expansionismus: Westliche Staaten – allen voran die EU und die USA – unterstützten die Ukraine politisch und wirtschaftlich auf ihrem Reformkurs. Sie propagieren das Prinzip der souveränen Entscheidung eines Landes über seine Bündnisse. Aus Moskauer Sicht hingegen stellt dies ein Eindringen des Westens in die eigene Sicherheitszone dar. Präsident Wladimir Putin argumentiert, der Westen habe in der Ukraine einen Regimewechsel unterstützt (Stichwort „farbige Revolution“) und nutze das Land als Brückenkopf gegen Russland. Tatsächlich engagieren sich westliche Organisationen in der Ukraine (für Zivilgesellschaft, Rechtsstaatlichkeit usw.), und EU sowie USA haben nach 2014 erhebliche Finanzhilfen und Beratung geleistet, um die Ukraine zu stabilisieren. Russland seinerseits zeigt seit den 2000er-Jahren einen neo-imperialen Kurs: Putin bezeichnete den Zerfall der UdSSR als „größte geopolitische Katastrophe“ und strebt an, Russlands Einfluss über den postsowjetischen Raum zu bewahren oder auszudehnen. In dieser Logik gehört die Ukraine eigentlich zu Russland. Putins Rhetorik stellt die ukrainische Staatlichkeit offen infrage – er betrachtet die Ukrainer und Russen als „ein Volk“ und die Ukraine als historischen Kunststaat​

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. Beobachter stellen fest, dass für Putin die Existenz einer souveränen Ukraine eine Fehlentwicklung darstellt, die es rückgängig zu machen gelte​

blaetter.de. Hier zeigt sich russischer Expansionismus: ein Bestreben, ehemalige Sowjetrepubliken wieder enger an Moskau zu binden – notfalls mit Gewalt. Die russische Aggression 2022 (der großflächige Einmarsch) kann als Versuch gesehen werden, diese imperialen Ansprüche umzusetzen​

bpb.de. Gleichzeitig spiegelt der Krieg einen Clash der Ordnungsvorstellungen wider: Russland will eine von ihm dominierte Einflusssphäre etablieren, während der Westen auf das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine pocht. Dieses politisch-ideologische Spannungsfeld ist ein zentraler Grundkonflikt hinter der militärischen Auseinandersetzung.

Wirtschaftliche Ursachen

Rohstoffinteressen und wirtschaftlicher Wettbewerb: Die Ukraine besitzt bedeutende Bodenschätze und industrielles Potenzial, was das Land auch ökonomisch ins Visier rückt. Insbesondere die Ostukraine (Donbas) ist reich an Kohle und Metallen, und neuere Erkundungen haben große Gasreserven gezeigt. Zudem verfügt die Ukraine über seltene Erden und Mineralien (etwa ein enormes Lithium-Vorkommen) mit strategischer Bedeutung​

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. Russland – selbst rohstoffreich – hat dennoch ein Interesse daran, die Kontrolle über ukrainische Vorkommen zu erlangen oder zumindest zu verhindern, dass diese dem Westen zugutekommen. Auffällig ist, dass russische Truppen seit 2014 gezielt ressourcenreiche Gebiete besetzt hielten​

zdf.de. Beobachter wie die EU-Abgeordnete Viola von Cramon vermuten eine wirtschaftliche Komponente hinter Putins Krieg: Russland okkupierte jene Teile der Ostukraine, wo hohe Gasvorkommen und der „Lithiumgürtel“ liegen​

zdf.de. Damit einher geht der Versuch, die ukrainische Wirtschaftskraft zu untergraben – die Ukraine als eigenständigen Wirtschaftsakteur zu zerstören und an ihre Ressourcen zu gelangen​

zdf.de. Auch die Krim hat wirtschaftlich-strategischen Wert: Durch die Annexion 2014 sicherte sich Russland Zugriff auf mögliche Öl- und Gasfelder im Schwarzen Meer sowie auf touristische und landwirtschaftliche Güter der Region.

Darüber hinaus war die Ukraine Gegenstand eines wirtschaftlichen Systemwettbewerbs zwischen Russland und der EU. Die geplante EU-Assoziierung mit der Ukraine 2013/14 hätte das Land fest an den EU-Binnenmarkt gebunden. Russland wollte dem mit einer eigenen Zollunion/Eurasischen Union entgegenwirken. Dieser Konflikt um Handelsblöcke – Westintegration versus Ostintegration – trug wesentlich zur Krise bei (Janukowytschs Abkehr vom EU-Abkommen erfolgte unter massivem ökonomischen Druck Russlands). Somit war die Ukraine Schauplatz eines wirtschaftlichen Einflusskampfs, der letztlich politisch eskalierte.

Energieabhängigkeit Europas: Ein zentrales wirtschaftliches Spannungsfeld ist die Rolle der Ukraine im europäischen Energieversorgungssystem. Durch die Ukraine verlaufen seit Sowjetzeiten wichtige Pipeline-Routen, über die russisches Erdgas nach Europa gelangt. Vor Ausbruch des Krieges deckten die EU-Staaten im Schnitt rund 40 % ihres Erdgasverbrauchs mit Importen aus Russland

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– eine Abhängigkeit, die Russland strategisch nutzen konnte. Kiew verdiente Transitgebühren und hatte zugleich ein Druckmittel: In früheren Streitfällen (2006, 2009) drosselte Russland Gaslieferungen, was Europa alarmierte. Diese Gas-Abhängigkeit bildete einen Hintergrund für den Umgang mit dem Konflikt: Europa war zunächst zögerlich in der Konfrontation, da es um seine Energieversorgung fürchtete. Russland wiederum plante langfristig, die Ukraine als Transitland zu umgehen (Bau der Nord-Stream-Pipelines), um Kiews wirtschaftlichen und politischen Hebel zu reduzieren. Die Energiefrage ist somit eng mit dem Ukraine-Konflikt verwoben. Als der Krieg 2022 eskalierte, reagierte der Westen mit harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland, während Moskau seinerseits Gaslieferungen als Druckmittel einsetzte. Der Krieg beschleunigte Europas Bestrebungen, von russischen Energielieferungen unabhängig zu werden – was Russlands Einnahmen aus dem Gas- und Ölgeschäft schmälerte. Insgesamt sind wirtschaftliche Sanktionen seit 2014 sowohl Folge als auch Teilursache der Konfliktdynamik: Sie sollten Russlands Aggression eindämmen, beeinflussten aber auch Russlands Kalkül (etwa durch Annäherung an alternative Märkte wie China). Der andauernde Wirtschaftskrieg belastet beide Seiten und ist zu einem integralen Bestandteil des Konflikts geworden.

Militärische Ursachen

NATO-Osterweiterung: Aus russischer Perspektive ist die Ausdehnung der NATO nach Osteuropa der wichtigste militärische Auslöser der Krise. Seit 1999 sind mehrere ehemals dem Warschauer Pakt angehörige Staaten (und sogar ex-sowjetische Republiken wie die Baltikum-Staaten) der NATO beigetreten. Moskau empfindet dies als Vertragsbruch vermeintlicher Zusagen von 1990, die NATO nicht nach Osten auszudehnen – auch wenn westliche Staaten betonen, es gab keine bindende Zusage außer für Ostdeutschland​

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. Faktisch stand die NATO nach 2004 an Russlands Westgrenze. Der NATO-Gipfel in Bukarest 2008 versprach der Ukraine und Georgien eine zukünftige Mitgliedschaft (ohne konkreten Zeitplan), was in Russland Alarm auslöste. Seither sieht der Kreml die rote Linie überschritten, falls die Ukraine NATO-Mitglied würde. Putin verlangte wiederholt verbindliche Garantien, dass dies nicht geschieht. Im offiziellen Narrativ Russlands diente die Invasion 2022 auch dazu, einer weiteren NATO-Expansion zuvorzukommen und eine neutrale Ukraine zu erzwingen.

Sicherheitsinteressen Russlands: Russland begründet sein Vorgehen mit eigener Sicherheitsvorsorge. Es fürchtet, dass NATO-Truppen oder -Waffensysteme in der Ukraine stationiert würden und so die russische Grenze bedrohen könnten – beispielsweise könnten westliche Raketen in der Ukraine Moskau in Minuten erreichen. Ebenso verweist Moskau auf die Stationierung von US-Raketenabwehr in Polen und Rumänien, die man als gegen Russland gerichtet ansieht. Diese Perspektive zeigt Russland als vermeintlich reaktiv-agierend: man sei von der NATO gedrängt und habe keine andere Wahl zur Verteidigung der eigenen Sicherheit. Allerdings stellen westliche Experten fest, dass die NATO in der Ukraine vor 2022 gar nicht präsent war und eine Mitgliedschaft Kiews langfristig ohnehin nicht absehbar war​

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atlanticcouncil.org. Deutschland und Frankreich blockierten bis zuletzt einen ukrainischen NATO-Beitritt​

oeaw.ac.at. Kritiker argumentieren daher, Russland nutze die NATO-Frage eher als Vorwand, um seine hegemonialen Ziele zu verschleiern – zumal Moskau auf den tatsächlichen NATO-Beitritt Finnlands 2023 relativ gelassen reagierte​

atlanticcouncil.org, während es die viel entferntere Ukraine attackierte. Nichtsdestotrotz bleibt die gegenseitige Bedrohungswahrnehmung ein Kernproblem: Russland fühlte sich vom Vordringen westlicher Militärstrukturen provoziert; die NATO-Staaten wiederum betonen, ihre Erweiterung ging von souveränen Beitrittswünschen der osteuropäischen Länder aus, gerade wegen deren historischen Erfahrungen mit russischer Dominanz​

oeaw.ac.at.

Waffenlieferungen an die Ukraine: Schon vor 2022 unterstützten westliche Staaten die Ukraine militärisch in begrenztem Umfang. Nach 2014 erhielt Kiew Ausbildungsmissionen und ab 2017 defensive Waffen (z.B. Panzerabwehrraketen). Russland verurteilte dies als Einmischung und behauptete, die NATO mache die Ukraine faktisch zum Aufmarschgebiet. Westliche Waffenlieferungen blieben jedoch bis 2022 moderat und waren primär zur Abschreckung weiterer Aggression gedacht. Mit dem offenen Krieg seit Februar 2022 stieg die westliche Militärhilfe dramatisch an – zahlreiche NATO-Staaten liefern Panzer, Artillerie, Flugabwehr und Intel-Unterstützung, um der Ukraine die Verteidigung gegen Russland zu ermöglichen. Aus russischer Sicht bestätigt dies die anfängliche Behauptung, man kämpfe eigentlich gegen die geballte Macht des Westens auf ukrainischem Boden. Putin stilisiert den Krieg als Abwehr westlicher Proxy-Intervention. Gleichwohl hatte Russland bereits vor diesen massiven Lieferungen die Invasion gestartet – was zeigt, dass Moskaus Entscheidung zum Krieg nicht durch akute ukrainische Bedrohung, sondern durch den Anspruch, die künftige Ausrichtung der Ukraine zu diktieren, motiviert war. Russlands eigenes militärisches Vorgehen – etwa die völkerrechtswidrige Stationierung seiner Truppen in der Ukraine (Krim, Donbas) seit 2014 und massive Aufrüstung an der Grenze 2021 – schuf erst die Lage, in der größere westliche Waffenhilfe notwendig wurde. Insgesamt sind die militärischen Ursachen des Konflikts in einem Sicherheitsdilemma begründet: Jede Seite sieht im anderen eine potentielle Bedrohung, was zu Aufrüstung und Vorwärtsverteidigung führt. NATO-Ausdehnung, Russlands Forderung nach Einflusszonen und das Wettrüsten um die Ukraine bilden somit den militärischen Kern der Konfliktursachen.

Einflussmatrix der wichtigsten Stakeholder

Im Folgenden werden die zentralen Akteure (Stakeholder) des Ukraine-Konflikts, ihre Rolle, Interessen und Einflussstärke zusammengefasst:

  • Ukraine (Regierung und Volk):
    Rolle: Direkt betroffener Konfliktparteistaat, der sein Territorium und seine Souveränität verteidigt. Interessen: Erhalt der territorialen Integrität (Rückgewinnung von Krim und Donbas), politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Russland, Integration in EU und evtl. NATO, Schutz der Bevölkerung und Wiederaufbau.
    Einflussstärke: Mittel – Die Ukraine hat den höchsten Einsatz (Existenzkampf) und eine starke moralische Position international, ist militärisch jedoch unterlegen und stark auf Unterstützung angewiesen. Ihr Widerstand auf dem Schlachtfeld und diplomatische Geschick beeinflussen maßgeblich den Konfliktverlauf, doch große Entscheidungen (z.B. über Friedensverhandlungen oder -bedingungen) hängen auch von externen Mächten ab.
  • Russland:
    Rolle: “Aggressor” und Invasionsmacht, die den Konflikt 2014 entzündet und 2022 eskaliert hat. Es kontrolliert völkerrechtswidrig Teile der Ukraine.
    Interessen: Machtprojektion und Erhalt einer Pufferzone gegen NATO, Verhindern einer westlich orientierten, demokratischen Ukraine an seiner Grenze; territoriale Ansprüche bzw. Kontrolle (Krim, „Neurussland“-Idee); innenpolitisch die Stärkung nationalistischer Legitimation.
    Einflussstärke: Sehr hoch – Russland bestimmt durch seine militärische Präsenz weitgehend das Kriegsgeschehen. Als Großmacht mit Nuklearpotenzial hat es globales Gewicht. Zugleich wird seine Einflussfähigkeit durch ukrainischen Widerstand und internationale Sanktionen begrenzt. Die russische Führung hat jedoch beträchtlichen Handlungsspielraum, eskaliert oder deeskaliert das Konfliktniveau nach eigenem Kalkül und nutzt diplomatische Vetomacht (z.B. im UN-Sicherheitsrat) zu ihren Gunsten.
  • Vereinigte Staaten von Amerika (USA):
    Rolle: Führungsmacht des westlichen Bündnisses, größter Unterstützer der Ukraine in Verteidigungs- und Sanktionsfragen. Die USA koordiniert NATO-Hilfe, liefert Waffen, Geheimdienstinformationen und finanziellen Beistand.
    Interessen: Stabilität der internationalen Ordnung durch Zurückdrängen russischer Aggression, Schutz demokratischer Staaten und Glaubwürdigkeit von Bündnissen, Eindämmung Russlands als geopolitischen Rivalen, Signal an China und andere Autokratien, dass Grenzverschiebungen mit Gewalt nicht toleriert werden.
    Einflussstärke: Hoch – Als militärische und wirtschaftliche Supermacht prägen die USA den Konfliktverlauf erheblich. Ihre Waffenlieferungen und Sanktionen haben großen Einfluss auf die Stärke der ukrainischen Verteidigung und den Druck auf Russland. US-Entscheidungen (z.B. Art und Umfang der Unterstützung) können die Dynamik auf dem Schlachtfeld verändern. Allerdings agieren die USA indirekt; sie vermeiden direkte Kriegsbeteiligung, um einen NATO-Russland-Konflikt zu verhindern.
  • Europäische Union (EU):
    Rolle: Diplomatischer und wirtschaftlicher Akteur, Nachbarregion und Unterstützer der Ukraine. Die EU hat Sanktionen gegen Russland verhängt, nimmt Flüchtlinge auf und hilft finanziell/humanitär. Einzelne Mitgliedstaaten (v.a. osteuropäische wie Polen, Baltikum sowie Deutschland, Frankreich) spielen Schlüsselfunktionen in Diplomatie und Hilfe.
    Interessen: Friedenssicherung in Europa, Schutz des Völkerrechts, eigene Sicherheitsinteressen (Verhinderung weiterer russischer Expansion nach Osteuropa), Aufrechterhaltung der Energieversorgung und wirtschaftlicher Stabilität, sowie die Perspektive einer EU-Erweiterung um die Ukraine langfristig.
    Einflussstärke: Mittel bis hoch – Wirtschaftlich verfügt die EU über erheblichen Einfluss (durch Sanktionen, Finanzhilfen, Handelsbeziehungen). Politisch tritt sie für die Ukraine ein, ist aber intern manchmal uneinig. Militärisch agiert die EU nicht als Bündnis (das übernimmt NATO), doch viele EU-Staaten leisten bilateral Waffenhilfe. Die EU’s Geschlossenheit in der Russland-Politik und ihre Bereitschaft, Kosten (Energie, Inflation) zu tragen, beeinflussen den Konflikt indirekt. Insgesamt ist die EU ein entscheidender Unterstützer der Ukraine, aber abhängig von der transatlantischen Zusammenarbeit und der Leistungsfähigkeit einzelner Mitglieder.
  • NATO (Nordatlantikpakt):
    Rolle: Verteidigungsbündnis westlicher Staaten, das zwar nicht direkt Kriegsteilnehmer ist (Ukraine ist kein Mitglied), aber eine zentrale Rolle im Hintergrund spielt. Die NATO verstärkte ihre Ostflanke zur Abschreckung und koordiniert die Rüstungshilfe an Kiew.
    Interessen: Sicherheit seiner Mitgliedstaaten und Abschreckung Russlands vor einer Ausweitung des Krieges über die Ukraine hinaus; Bewahrung der Glaubwürdigkeit des Bündnisses (Beistand für Partner, Offenhalten der „Tür“ für aspirierende Mitglieder); langfristig möglicherweise Integration der Ukraine, sofern Bedingungen und politischer Konsens es erlauben.
    Einflussstärke: Hoch (indirekt) – Durch die vereinte Macht ihrer Mitglieder beeinflusst die NATO Russlands Kalkül beträchtlich. Ihre Signale (z.B. klare Unterstützungserklärungen, Truppenstationierungen in Osteuropa) wirken auf das Konfliktumfeld ein. Allerdings agiert die NATO als Organisation vorsichtig, um keine direkte Konfrontation mit Russland herbeizuführen. Praktisch manifestiert sich ihr Einfluss über die Handlungen der NATO-Staaten (insbesondere USA, UK, Frankreich, Deutschland etc.). Das Bündnis stellt den strategischen Rückhalt für die Ukraine dar, was deren Durchhaltevermögen stärkt und Russlands militärisches Risiko erhöht.
  • Pro-russische Separatisten in der Ostukraine (sog. „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk):
    Rolle: Lokale Konfliktpartei im Donbas, ursprünglich Aufständische mit Unterstützung aus Moskau. Sie fungierten seit 2014 als Stellvertreter („Proxy“) Russlands, indem sie ukrainisches Gebiet besetzt hielten und gegen Kiews Truppen kämpften. 2022 wurden sie de facto in die russischen Streitkräfte integriert, bleiben aber symbolisch Akteure.
    Interessen: Autonomie oder Anschluss an Russland für Donetsk/Luhansk, Schutz der russischsprachigen Bevölkerung (so das Selbstbild), Machterhalt der eigenen lokalen Führung. Viele Kämpfer folgten ideologisch der Vorstellung von „Neurussland“.
    Einflussstärke: Gering bis mittel – Ohne Russland hätten die Separatistengebiete militärisch kaum Bestand gehabt. Ihr Einfluss war vor allem lokal (auf die Kriegsführung im Donbas) und propagandistisch (als Begründung für russisches Eingreifen: „Schutz der Bevölkerung“). Durch die Anerkennung und Annexion dieser Gebiete durch Russland 2022 haben sie an formeller Eigenständigkeit verloren. Sie sind weitgehend von russischen Entscheidungen abhängig, bilden aber einen Bestandteil der Konfliktstruktur, der es Russland erlaubte, zunächst indirekt zu agieren. Ihr Vorhandensein verkompliziert Friedenslösungen, da Fragen von Autonomiestatus oder Reintegration geklärt werden müssten.

(Weitere Akteure wie Belarus – als russischer Verbündeter und Aufmarschgebiet –, Türkei – als Vermittler im Getreidedeal –, oder China – als diplomatischer Partner Russlands – spielen ebenfalls Rollen, jedoch eher sekundär in Bezug auf die Kernursachen.)

Diese Einflussmatrix verdeutlicht, wie vielschichtig der Ukraine-Konflikt ist. Unterschiedliche Akteure verfolgen eigene Interessen und haben variierende Einflussmöglichkeiten. Das Spannungsfeld reicht von der lokalen Ebene (Ostukraine) bis zur globalen (USA, NATO, EU vs. Russland) – und die Interaktionen dieser Stakeholder treiben den Konflikt und erschweren seine Lösung. Nur durch Berücksichtigung all dieser Rollen und Interessen lässt sich das Entstehen und die Persistenz des Konflikts umfassend erklären.