Eichmann: Forcierte Auswanderung der Juden aus Österreich 1938

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Eichmanns Aufgabe in Wien war die forcierte Auswanderung. Er begann im März 1938 in Wien seine Aufgabe umzusetzen.

Die forcierte Auswanderung war nichts weniger, als dass alle Juden ohne Rücksicht auf ihre Absichten ab und ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit zur Auswanderung gezwungen werden sollten.

Es handelte sich also um die Aussiedlung der Juden aus dem Reich, mit der man in Österreich begann. Sooft Eichmann man sich an die 12 besten Jahre seines Lebens unter Anführungszeichen erinnerte, hob er hervor, dass dieses Jahr in Wien. Als Leiter der Zentralstelle für jüdische Auswanderung aus Österreich seine glücklichste und erfolgreichste Zeit gewesen sei.

Kurz zuvor war zum Untersturmführer, das heißt, in der in den Offiziersrang befördert worden Grund waren seine Anführungszeichen umfassende Kenntnis der Organisationsformen und Weltanschauung des Gegners Judentum

Der Auftrag in Wien war die erste wichtige Aufgabe, die ihm übertragen wurde. Seine Karriere, die so langsam vorangeschritten war, war endlich in Gang gekommen. Er muss sich überschlagen haben, um sich zu bewähren. Und sein Erfolg war „glänzend“.

Innerhalb von 8 Monaten verließen 45000 Juden Österreich. Während nicht mehr als 19000 in der gleichen Zeit aus Deutschland weggingen.

In weniger als 18 Monaten war Österreich von annähernd 150.000 Menschen, etwa 60% der jüdischen Bevölkerung.

Wenn man die in Österreich recht zahlreichen getauften Juden mit einschließt >gereinigt<. Und sie alle hatten das Land legal verlassen. Noch nach Kriegsausbruch konnten einige 60.000 entkommen.
Wie hatte er das geschafft?

Das System Forcierte Auswanderung

Eichmann erkannte die Schwierigkeiten, die eine forcierte Auswanderung in kurzer Zeit von tausenden Menschen bedeutete

Nachdem ihn jüdische Beamte über die organisatorischen Schwierigkeiten unterrichtet hatten, entwickelte er sein System der: Forcierten Auswanderung

Er stellte sich ein laufendes Band vor. Vorne kommt das erste Dokument drauf und die anderen Papiere und rückwärts musste dann der Reisepass abfallen. Das ließe sich verwirklichen, wenn alle infrage kommenden Beamten und Funktionäre das Finanzministerium, die Leute von der Einkommenssteuer, die Polizei, die jüdische Gemeinde etc. unter demselben Dach untergebracht würden.

Und gezwungen werden, ihre Arbeit an Ort und Stelle in Gegenwart des Antragstellers zu erledigen. Der brauchte dann nicht mehr von Büro zu Büro zu rennen und ein Teil der demütigenden Schikanen und Bestechungsgelder würden ihm wahrscheinlich auch erspart. Als alles bereit war und das laufende Band auf vollen Touren lief, beeilte sich Eichmann, die jüdischen Funktionäre aus Berlin zur Besichtigung einzuladen.

Sie waren entgeistert. Es ist wie ein automatisch laufender Betrieb. Wie eine Mühle, in der Getreide zu Mehl zermahlene wird und die mit einer Bäckerei gekoppelt ist. Auf der einen Seite kommt der jüdische Bürger herein, der noch etwas besitzt, einen Laden oder eine Fabrik oder ein Bankkonto. Nun geht er durch das ganze Gebäude, von Schalter zu Schalter, vom Büro zu Büro. Und wenn er auf der anderen Seite herauskommt, ist der aller Rechte beraubt, besitzt keinen Pfennig, dafür aber einen Pass, auf dem steht, sie haben binnen 14 Tagen das Land zu verlassen. Sonst kommen Sie ins Konzentrationslager.

Quelle: Hannah Arendt / Eichmann in Jerusalem / p.119 – p.121

Benjamin Murmelstein Helfershelfer der forcierten Auswanderung oder Retter von tausenden Juden?

Benjamin Murmelstein (* 9. Juni 1905 in LembergGalizienÖsterreich-Ungarn; † 27. Oktober 1989 in Rom) war österreichischer Rabbiner, Gelehrter und Funktionär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien vor ihrer Auflösung durch die Nationalsozialisten im März 1938. Danach war er in der zwangsweise von den Nationalsozialisten in „Jüdische Gemeinde Wien“ umbenannten und kontrollierten Institution für die „Auswanderungsabteilung“ zuständig. Später gehörte er dem ebenfalls von den Nationalsozialisten geschaffenen Judenrat in Wien an. Anschließend war er als Deportierter der letzte von den Nationalsozialisten eingesetzte Judenälteste im Ghetto Theresienstadt. Von ihm stammen wichtige Zeitzeugenberichte über die Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden.

Karel Fleischmann: Benjamin Murmelstein (1944)

Benjamin Murmelstein: Leben und Wirken

Herkunft, Familie, Studium und Rabbinat

Murmelstein war der Sohn von Wolf Zeev Murmelstein (gestorben 1934) und Debora Murmelstein, geborene Geyer (1879–1941), er hatte noch zwei Brüder und zwei Schwestern. Er absolvierte, aus einer orthodoxen Familie stammend, ein Gymnasium in Lemberg, der Hauptstadt des österreichischen Galiziens. Nach der bestandenen Reifeprüfung zog er 1923 nach Wien und studierte an der Universität Wien Philosophie und semitische Sprachen. Parallel dazu absolvierte er an der Wiener „Israelitisch-Theologischen Lehranstalt“ eine rabbinische Ausbildung, die er 1927 mit herausragendem Ergebnis abschloss. Im gleichen Jahr erfolgte seine Promotion mit der Dissertation über Adam. Ein Beitrag zur Messiaslehre.[1]

Ab 1931 war Murmelstein als Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien im Brigittenauer Tempel tätig. Des Weiteren dozierte er von 1931 bis 1938 an der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt und unterrichtete auch Religion an Wiener Mittelschulen. Er betrieb zudem judaistische Studien und publizierte auch in diesem Bereich.[1] (Siehe auch: Jüdisches Leben in Wien.)

Seit 1933 war Murmelstein mit Margit, geborene Geyer (1. März 1904 in Budapest), verheiratet. Aus der Ehe ging ein Sohn namens Wolf (* 1936) hervor.[2] Murmelstein versuchte von 1936 bis 1941 erfolglos, eine Anstellung im Ausland zu erhalten, während die meisten anderen Rabbiner auswanderten.[3] Er blieb mit seiner Familie letztlich in Wien,[4] wo er sich in der Zeit des Austrofaschismus streitbar des zunehmenden Antisemitismus erwehrte.[5]

Funktionen in der NS-Zeit

Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 an das Deutsche Reich gehörte Murmelstein als Leitungsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Wien an, die im März 1938 537 besoldete und 565 ehrenamtliche Mitarbeiter hatte.[6] Er leitete kurze Zeit später die vom NS-Regime geschaffene „Auswanderungsabteilung“ in der Wiener Kultusgemeinde, die im Mai 1938 auf Weisung des NS-Regimes in „Jüdische Gemeinde“ umbenannt wurde. In dieser Funktion musste Murmelstein eng mit der im August 1938 von Adolf Eichmann und Alois Brunner geschaffenen „Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien“ kooperieren, die einzig dem Ziel diente, die Emigration von Wiener Juden zu forcieren.[7] In dieser Funktion konnte Murmelstein vielen jüdischen Wienern das Leben retten. Er fungierte zudem als gut bezahlter,[3] stellvertretender Leiter der jüdischen Gemeinde in Wien unter Josef Löwenherz[8] und entwickelte sich vom „Gottesmann zum Administrator, Bürokraten und Manager im Elend“.[3] Im Rahmen dieser Tätigkeiten musste er mehrmals ins Ausland reisen, verblieb jedoch nicht dort, sondern kehrte immer nach Wien zurück.[9]

Die anderen Leiter der jüdischen Gemeinde dienten als Geiseln, als Murmelstein im Jänner 1939 zur Organisation der Kindertransporte nach London reiste, und hafteten für ihn mit ihrer Unterschrift.[10] Murmelstein begleitete im Herbst 1939 als jüdischer Funktionär während der Umsetzung des sogenannten Nisko-Plans Transportzüge mit Wiener Juden nach Nisko.[11] Bis November 1941 konnten etwa 128.000 Juden aus Wien emigrieren.

Ab 1942 musste er mit anderen jüdischen Funktionären während der Abfertigung der Deportationszüge aus Wien in die Vernichtungslager im Osten auf Weisung der NS-Behörden die „Einwaggonierung“ vornehmen, was nicht zu verhindern war. Murmelstein versuchte, alte Menschen und Kinder von den Deportationslisten streichen zu lassen. Aufgrund der schlimmen Ereignisse geriet er in eine Glaubenskrise und besuchte nicht mehr die Synagoge.[12] Ab November 1942 war er im Beirat des Ältestenrates der Juden in Wien unter dessen Leiter Löwenherz.[13]

Judenältester im Ghetto Theresienstadt

Am 29. Jänner 1943 wurde Murmelstein nach Theresienstadt deportiert. Der Theresienstadt-Häftling Hans Günther Adler berichtete 1955, dass Murmelstein von Wien her kein guter Ruf vorangegangen sei.[14] Murmelstein fungierte in Theresienstadt von Anfang an hinter Jacob Edelstein als „Zweiter Stellvertreter des Judenältesten“ Paul Eppstein. Zudem war er schon kurz nach seiner Ankunft in Theresienstadt für die Abteilung Gesundheitswesen und die Technische Abteilung als Dezernent zuständig. Ab April 1943 war er noch leitend in der Bucherfassung konfiszierter hebräischer Bücher zur Katalogisierung durch das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) tätig. Im Dezember 1943 übernahm er die „Innere Verwaltung“, die u. a. den Bereich Raumwirtschaft umfasste.[15] Neben der polnischen und der deutschen Sprache eignete sich Murmelstein in Theresienstadt zum Verständnis der Lagersprache auch tschechische Sprachkenntnisse an.[16] Mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn bewohnte er ein Zimmer im Ghetto.[17] In Theresienstadt war die Schauspielerin Vlasta Schönová seine Freundin.[18]

Vom 27. September 1944 bis zum 5. Mai 1945 war Murmelstein letzter Judenältester[19] im Ghetto Theresienstadt und löste in dieser Funktion den ermordeten Eppstein ab.[20] Murmelstein bekleidete diesen Posten zunächst faktisch und ab Dezember 1944 offiziell.

Kurz nach seiner Ernennung zum Judenältesten gingen in Theresienstadt die Herbsttransporte mit arbeitsfähigen Insassen ab, deren Ziel das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau war. Murmelstein konnte jedoch keinen Einfluss auf die Deportationen aus Theresienstadt nehmen. Er war bemüht, durch Kooperation mit den Nationalsozialisten möglichst viele der internierten Juden zu retten, was im Fall der Transporte in einigen hundert Fällen auch gelang.[21] Dabei handelte es sich hauptsächlich um Mediziner, Pflegepersonal und andere für das Bestehen des Lagers unentbehrliche Experten, da Murmelstein sich ansonsten weigerte, Deportationslisten zusammenzustellen. Er ließ auch Reklamationen an den Transporten nicht zu, um eine Gleichbehandlung aller Häftlinge zu gewährleisten. Vorteile für prominente Häftlinge baute er ebenso ab, so die Sonderzuteilungen bei den Essensrationen.[12]

Vom Ausmaß der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten erfuhr Murmelstein in Theresienstadt frühestens im Dezember 1944 durch neu eingetroffene jüdische Slowaken, möglicherweise aber auch erst im April 1945 durch in Theresienstadt angekommene Überlebende von Todesmärschen von KZ-Häftlingen. Er lehnte den bewaffneten Widerstand, Flucht oder Suizid kategorisch ab. Weil er die Gefahr der Liquidierung des Lagers sah, setzte er zur Rettung der Juden im Lager stattdessen auf effektive Organisation des Lageralltags. Damit wollte er die SS-Führer überzeugen, dass die ihm durchaus bewusste propagandistische Außenwirkung des Ghettos funktioniert: So ließ er u. a. die Arbeitszeit in Theresienstadt auf 70 Stunden erhöhen, im Ghetto aufräumen sowie Frauen Schwerarbeit verrichten und erreichte so eine verbesserte Infrastruktur und Versorgungslage der Insassen im Ghetto.[21]

Murmelstein war in dem Propagandafilm „Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“ zu sehen und konnte diesen während einer Präsentation vor einer Delegation des Roten Kreuzes am 16. April 1945 in Theresienstadt gemeinsam mit SS-Führern ansehen.[22][23]

Am 5. Mai 1945 übernahm das Internationale Komitee vom Roten Kreuz durch Paul Dunant die Leitung im Ghetto Theresienstadt. Leo Baeck dankte Anfang Mai 1945 Murmelstein schriftlich für seine Tätigkeit als Judenältester unter schwierigsten Umständen.[20] Von einigen Überlebenden wurden ihm danach selbstherrliche Handlungen und die Annahme sexueller Gefälligkeiten nachgesagt. Auch seine „Falstaff-Figur“[14] wurde ihm in der Hungerzeit übelgenommen, so dass seine Ablösung als Lagerältester teils gefeiert wurde.[12]

Quelle: Wikipedia: Benjamin Murmelstein