Ich werde eine genauere Untersuchung einzelner Kapitel aus Ian Kershaws Biografie „Hitler 1889–1945“ durchführen. Diese Analyse wird in drei zentrale Abschnitte unterteilt:
- Kapitel zur frühen Lebensphase und Ideologiebildung (1889–1924)
- Kapitel zum politischen Aufstieg und der Machtergreifung (1925–1936)
- Kapitel zur Kriegszeit und zum Holocaust (1939–1945)
1. Frühe Lebensphase und Ideologiebildung (1889–1924)
Inhalt:
Kershaw beschreibt Hitlers Kindheit in einem autoritären Elternhaus und seine frühe Jugend, die von schulischen Misserfolgen geprägt war. In Wien entwickelt Hitler seine Weltanschauung, insbesondere seinen Hass auf Juden, Sozialisten und Liberale. Seine Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg und die Demütigung durch die deutsche Niederlage prägen ihn stark.
- Wichtiges Ereignis: Der Eintritt in die DAP (Deutsche Arbeiterpartei) 1919, die spätere NSDAP.
- Zentrales Motiv: Die Entwicklung des Führerbildes – Hitler erkennt früh, dass er durch seine Redekunst Menschen begeistern kann.
Analyse:
Kershaw betont, dass Hitlers frühe Ideologie weniger das Ergebnis eines einzigartigen Genies war, sondern eher die Radikalisierung bereits existierender völkischer Strömungen in Österreich und Deutschland. Besonders hebt er hervor, wie Hitlers persönliche Frustrationen seine Ideologie prägten. Kershaw beschreibt Hitler in dieser Phase als einen politischen Außenseiter, der von der allgemeinen Unzufriedenheit profitierte.
2. Politischer Aufstieg und Machtergreifung (1925–1936)
Inhalt:
Nach der Entlassung aus der Haft arbeitet Hitler daran, die NSDAP neu aufzubauen. In den 1920er-Jahren gelingt es ihm, die Partei als Massenbewegung zu etablieren. Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 bietet den perfekten Nährboden für die Verbreitung seiner Ideologie. 1933 wird Hitler Reichskanzler und nutzt geschickt die Reichstagsbrandverordnung sowie das Ermächtigungsgesetz, um die Demokratie abzuschaffen und eine totalitäre Diktatur zu errichten.
- Wichtiges Ereignis: Die „Nacht der langen Messer“ 1934, in der Hitler seine innerparteilichen Gegner ausschaltet und die Macht der SA bricht.
- Zentrales Motiv: Die Legitimation von Gewalt zur Machtsicherung.
Analyse:
Kershaw legt in diesem Abschnitt großen Wert darauf, die strukturellen Probleme der Weimarer Republik als zentrale Faktoren für Hitlers Erfolg zu betonen. Er widerspricht der These, Hitler sei durch eine breite Zustimmung der Bevölkerung zur Macht gekommen, und zeigt, dass es vor allem die konservative Elite war, die Hitler unterschätzte und ihn unterstützte, um ihre eigenen Interessen zu wahren.
3. Kriegszeit und Holocaust (1939–1945)
Inhalt:
Mit dem Überfall auf Polen 1939 beginnt Hitler den Zweiten Weltkrieg. Kershaw beschreibt die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht und Hitlers wachsenden Größenwahn. Ab 1941 nimmt die Vernichtungspolitik gegen die Juden Europas eine zentrale Rolle ein. Die Niederlage in Stalingrad 1943 markiert den Wendepunkt des Krieges. Kershaw beschreibt Hitlers zunehmende Isolation und seine irrationale Führung, die schließlich im totalen Zusammenbruch des NS-Regimes 1945 endet.
- Wichtiges Ereignis: Die Wannsee-Konferenz 1942, auf der die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen wird.
- Zentrales Motiv: Die ideologische Besessenheit Hitlers, die die militärische und politische Realität verdrängt.
Analyse:
Kershaw zeigt eindrücklich, dass Hitlers Entscheidungen im Krieg zunehmend irrational wurden und auf einer ideologischen Fixierung auf die Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ basierten. Er stellt den Holocaust als Kernpunkt von Hitlers Politik dar, der von der gesamten NS-Führung getragen und umgesetzt wurde. Besonders betont Kershaw, dass der Holocaust nicht durch einen zentralen Befehl ausgelöst wurde, sondern durch eine schrittweise Radikalisierung, an der viele Funktionäre beteiligt waren.
Zusammenfassende Analyse der Kapitel
- Frühe Jahre: Kershaw vermittelt das Bild eines Mannes, dessen Ideologie aus persönlicher Frustration und dem Einfluss des zeitgenössischen Antisemitismus entstanden ist.
- Aufstieg zur Macht: Kershaw betont die Bedeutung der historischen Umstände und widerlegt die Vorstellung von Hitlers „unaufhaltsamem Aufstieg“. Vielmehr war er das Ergebnis politischer Fehlentscheidungen der Eliten.
- Krieg und Holocaust: Kershaw schildert Hitler als zunehmend isoliert und besessen von seiner Ideologie. Der Holocaust wird als ein Prozess dargestellt, der durch die Dynamik des NS-Staates und die Ideologie der Führungsriege möglich wurde.
Warum entwickelte Hitler in Wien seine Weltanschauung, insbesondere seinen Hass auf Juden, Sozialisten und Liberale?
Ian Kershaw stellt in seiner Biografie dar, dass Hitlers Zeit in Wien (1908–1913) entscheidend für die Formung seiner späteren Weltanschauung war. In dieser Phase entwickelte sich sein Hass auf Juden, Sozialisten und Liberale. Kershaw betont dabei mehrere zentrale Faktoren, die zu dieser Radikalisierung führten:
1. Gesellschaftlicher Kontext: Antisemitismus und Nationalismus in Wien
Wien um die Jahrhundertwende war eine multikulturelle Stadt mit starkem sozialem Wandel. Die Habsburgermonarchie war durch ethnische Spannungen geprägt, da viele verschiedene Volksgruppen (Deutsche, Tschechen, Ungarn, Slawen) innerhalb des Reichs lebten. Gleichzeitig war der Antisemitismus in Wien weit verbreitet und wurde politisch von Persönlichkeiten wie dem Bürgermeister Karl Lueger genutzt, der gezielt antijüdische Ressentiments schürte, um Wählerstimmen zu gewinnen.
- Kershaws Argument: Hitler, der aus einem kleinbürgerlichen und nationalistisch geprägten Milieu stammte, wurde in Wien stark von diesen Strömungen beeinflusst. Er übernahm den weit verbreiteten rassistischen Antisemitismus, der Juden als „fremdes Element“ im deutschen Volk ansah.
2. Persönliche Frustration und soziale Isolation
Hitler kam nach Wien mit dem Wunsch, Maler zu werden, wurde jedoch zweimal von der Kunstakademie abgelehnt. Diese persönliche Niederlage führte zu Frustration und einem Gefühl der Ausgeschlossenheit. Hitler lebte in ärmlichen Verhältnissen und sah sich selbst als Opfer eines Systems, das ihn benachteiligte.
- Kershaws Argument: In dieser Phase begann Hitler, seine persönlichen Misserfolge auf äußere Feinde zu projizieren. Juden, Sozialisten und Liberale wurden in seinen Augen zu Sündenböcken, die für seine eigene Lage und die Probleme der Gesellschaft verantwortlich seien.
3. Einfluss des völkischen Gedankenguts
In Wien hatte Hitler Zugang zu völkisch-nationalistischen Publikationen und Schriften, die einen rassischen Nationalismus propagierten. Er las Werke von antisemitischen Autoren und entwickelte die Vorstellung, dass die Welt in einen Kampf zwischen verschiedenen „Rassen“ verwickelt sei, in dem die „arische Rasse“ von Juden bedroht werde.
- Wichtige Einflüsse:
- Georg von Schönerer, ein völkischer Politiker, der den „großdeutschen“ Gedanken propagierte.
- Lanz von Liebenfels, der eine pseudowissenschaftliche rassistische Ideologie entwickelte und in seinen Schriften Juden als Hauptfeinde der „arischen Rasse“ darstellte.
4. Sozialistische und liberale Bewegungen als Feindbilder
In Wien waren die Sozialdemokraten eine aufstrebende politische Kraft, die die Arbeiterklasse vertrat. Die Liberalen standen für die Idee einer multikulturellen und säkularen Gesellschaft. Beide Strömungen standen im Gegensatz zum völkisch-nationalistischen Gedankengut, das Hitler bereits in jungen Jahren vertrat.
- Kershaws Argument: Hitler sah in Sozialisten und Liberalen Bedrohungen für die nationale Einheit und die „Reinheit“ der deutschen Kultur. Er verband den Hass auf Juden mit dem Hass auf Sozialisten, indem er sie als gemeinsame Verschwörer gegen das deutsche Volk ansah.
Fazit
Kershaw zeigt, dass Hitlers Weltanschauung in Wien durch eine Mischung aus persönlichen Enttäuschungen, sozialer Isolation und dem Einfluss einer antisemitischen, völkischen Ideologie geprägt wurde. Diese Elemente formten seine Vorstellung eines rassischen Weltbildes, das später die Grundlage seiner Politik im Dritten Reich und die ideologische Rechtfertigung für den Holocaust bildete. Kershaw betont, dass Hitlers Ideologie nicht auf tiefes theoretisches Denken, sondern auf vereinfachende Feindbilder und Ressentiments beruhte.
Ursachen, Entscheidungen und Ergebnisse von Hitlers Aufstieg und Fall
Hier ist eine detaillierte Erläuterung der einzelnen Schritte, die in der Grafik dargestellt wurden:
1. Versailler Vertrag (1919)
Der Vertrag von Versailles beendete den Ersten Weltkrieg und auferlegte Deutschland harte Bedingungen, darunter Gebietsverluste, Abrüstung und hohe Reparationszahlungen. In Deutschland wurde der Vertrag als „Schmach von Versailles“ empfunden und schürte nationalen Groll. Hitler nutzte diese Stimmung geschickt, um die Bevölkerung gegen die Weimarer Regierung und die Alliierten aufzuwiegeln.
Folge: Der Versailler Vertrag trug zur politischen Destabilisierung der Weimarer Republik bei.
2. Wirtschaftskrise (1929)
Die Weltwirtschaftskrise führte zu Massenarbeitslosigkeit und sozialem Elend in Deutschland. Die demokratische Regierung wirkte in dieser Krise handlungsunfähig, was radikale Parteien wie die NSDAP stärkte. Hitler versprach wirtschaftliche Erholung und nationale Größe, was ihm große Unterstützung einbrachte.
Folge: Die Krise beschleunigte den Aufstieg der NSDAP, die bei den Reichstagswahlen ab 1930 massiv an Stimmen gewann.
3. Politische Instabilität der Weimarer Republik
Die Weimarer Republik war durch häufige Regierungswechsel und den Konflikt zwischen linken und rechten Kräften geprägt. Die demokratischen Institutionen waren schwach, und viele konservative Eliten misstrauten der Demokratie.
Folge: Diese Instabilität ermöglichte es Hitler, mit Unterstützung konservativer Politiker wie Hindenburg und von Papen 1933 zum Reichskanzler ernannt zu werden.
4. Hitlers Ideologie
Hitler propagierte eine antisemitische, rassistische und nationalistische Ideologie, die auf der Vorherrschaft der „arischen Rasse“ basierte. Seine Forderungen nach „Lebensraum im Osten“ und der Vernichtung des Judentums bildeten die Grundlage seiner Politik.
Folge: Die Ideologie der NSDAP gab den politischen Entscheidungen eine radikale Ausrichtung und wurde zur Grundlage von Krieg und Holocaust.
5. Aufstieg der NSDAP
Die NSDAP entwickelte sich von einer kleinen radikalen Partei zu einer Massenbewegung. Propaganda, Gewalt durch die SA und gezielte Wahlkampfstrategien trugen zu ihrem Aufstieg bei.
Folge: Die NSDAP wurde zur stärksten Partei im Reichstag und konnte durch Hitlers Ernennung zum Reichskanzler die Macht übernehmen.
6. Ernennung zum Reichskanzler (1933)
Am 30. Januar 1933 wurde Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Die konservativen Eliten glaubten, Hitler kontrollieren zu können.
Folge: Hitler nutzte seine neue Position, um die Demokratie von innen heraus zu zerstören.
7. Ermächtigungsgesetz (1933)
Mit dem Ermächtigungsgesetz erhielt Hitler diktatorische Vollmachten. Das Gesetz wurde mit der Zustimmung des Reichstags verabschiedet, nachdem die KPD ausgeschaltet und viele SPD-Abgeordnete eingeschüchtert worden waren.
Folge: Das Ermächtigungsgesetz markierte das Ende der Weimarer Republik und die Errichtung der NS-Diktatur.
8. Militarisierung und Krieg
Hitler begann unmittelbar nach der Machtübernahme mit der Aufrüstung der Wehrmacht und einer aggressiven Außenpolitik. 1939 griff Deutschland Polen an, was den Zweiten Weltkrieg auslöste.
Folge: Die Militarisierung führte zum Zweiten Weltkrieg und bereitete den Boden für die späteren Kriegsverbrechen und den Holocaust.
9. Holocaust (1941–1945)
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 begann die systematische Vernichtung der europäischen Juden. Auf der Wannsee-Konferenz 1942 wurde die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen, die zur Ermordung von etwa sechs Millionen Juden führte.
Folge: Der Holocaust war das größte Verbrechen des NS-Regimes und prägt die Erinnerung an diese Zeit bis heute.
10. Stalingrad (1943)
Die Schlacht von Stalingrad gilt als Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Die deutsche 6. Armee wurde eingeschlossen und kapitulierte. Der sowjetische Gegenangriff führte zum Rückzug der Wehrmacht.
Folge: Nach Stalingrad war der Krieg für Deutschland kaum noch zu gewinnen. Die Niederlage erschütterte das NS-Regime und führte zu einem Vertrauensverlust in Hitlers Führung.
11. Totaler Krieg
Nach der Niederlage in Stalingrad rief Hitler zum „totalen Krieg“ auf. Propagandaminister Goebbels forderte die vollständige Mobilisierung aller Ressourcen, doch die Übermacht der Alliierten war nicht mehr aufzuhalten.
Folge: Die Bevölkerung litt zunehmend unter den Folgen des Krieges, und die Zerstörung deutscher Städte durch alliierte Bombenangriffe nahm zu.
12. Hitlers Selbstmord (1945)
Angesichts der aussichtslosen Lage und des Vorrückens der Alliierten beging Hitler am 30. April 1945 im Führerbunker in Berlin Selbstmord.
Folge: Der Selbstmord Hitlers führte zum schnellen Zusammenbruch des NS-Regimes.
13. Niederlage Deutschlands (1945)
Am 8. Mai 1945 kapitulierte die Wehrmacht bedingungslos. Der Zweite Weltkrieg in Europa war beendet, und das Deutsche Reich lag in Trümmern.
Folge: Die Niederlage führte zur Besetzung Deutschlands durch die Alliierten, zur Aufteilung des Landes und zur Entnazifizierung.
Lernpunkte aus der Geschichte: Deutschland der Bundesländer versus ein vereintes Deutschland
Ein zentraler Lernpunkt aus der Geschichte Deutschlands, insbesondere aus der Zeit des Deutschen Kaiserreichs (1871–1918) und des Dritten Reichs (1933–1945), ist die Frage, wie die politische Struktur Deutschlands die Machtkonzentration beeinflusst. Historisch gab es zwei gegensätzliche Modelle:
- Ein stark zentralisiertes, vereintes Deutschland
(wie das Deutsche Kaiserreich und das Dritte Reich) - Ein föderales Deutschland der Bundesländer
(wie die Bundesrepublik Deutschland nach 1949)
Die Erfahrungen mit diesen beiden Modellen haben zu wichtigen Erkenntnissen geführt:
1. Machtkonzentration und Zentralismus als Risiko
Während des Kaiserreichs und insbesondere unter der NS-Diktatur zeigte sich, dass ein stark zentralisiertes Deutschland eine Machtkonzentration begünstigte, die autoritäre Herrschaft erleichterte. Unter Hitler war die gesamte Macht in wenigen Händen konzentriert, wodurch demokratische Kontrollmechanismen ausgeschaltet werden konnten.
- Lernpunkt: Ein zentralisiertes Deutschland erleichtert die Errichtung einer Diktatur, da es weniger Mechanismen zur Dezentralisierung der Macht gibt.
Der allesentscheidende Faktor, der zu Hitler’s Machtübernahme führte
Der allesentscheidende Fehler, der letztlich zur Machtübernahme Hitlers führte, war das politische Ränkespiel der konservativen Eliten der Weimarer Republik. Historiker, darunter auch Ian Kershaw, stimmen darin überein, dass die Entscheidung der konservativen Politiker, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen, in der Hoffnung, ihn kontrollieren zu können, ein entscheidender Wendepunkt war.
Hier eine detaillierte Analyse, warum dieses politische Ränkespiel so fatal war:
1. Die Rolle der konservativen Eliten
Die konservativen Eliten, insbesondere Präsident Paul von Hindenburg, sein Berater Kurt von Schleicher und der ehemalige Kanzler Franz von Papen, spielten eine Schlüsselrolle bei der Machtübergabe an Hitler. Sie waren Vertreter der alten monarchistischen und nationalistischen Oberschicht, die die Weimarer Republik nie wirklich akzeptierten und ihre Macht durch die Demokratie bedroht sahen.
- Strategie: Die konservativen Eliten glaubten, dass sie Hitler als eine populäre Figur nutzen könnten, um ihre eigene Macht zu sichern und die Demokratie auszuhöhlen. Sie wollten eine autoritäre Regierung etablieren, in der Hitler als Reichskanzler unter ihrer Kontrolle stehen würde.
- Fehleinschätzung: Sie unterschätzten Hitlers politische Fähigkeiten und seine Entschlossenheit, die gesamte Macht an sich zu reißen. Anstatt ihn zu kontrollieren, ermöglichte ihre Entscheidung Hitlers Aufstieg zur uneingeschränkten Macht.
2. Schlüsselereignisse des Ränkespiels
- Wahl 1932: Die NSDAP wurde bei den Reichstagswahlen zur stärksten Partei, konnte jedoch keine Regierung bilden. Die konservativen Kräfte suchten nach einem Weg, die Macht der Demokratie zu umgehen und eine stabile Regierung zu schaffen.
- November 1932: Nach dem Rücktritt von Kanzler von Schleicher kam es zu Verhandlungen zwischen Hitler und den konservativen Kräften. Franz von Papen bot Hitler die Kanzlerschaft an, während er selbst als Vizekanzler fungieren wollte.
- 30. Januar 1933: Hindenburg ernannte Hitler auf Vorschlag von Papen zum Reichskanzler, in der Überzeugung, dass er von den konservativen Ministern und Hindenburg kontrolliert werden könne. Papen prahlte später mit der Aussage: „Wir haben ihn in die Ecke gedrängt, dass er quietschen wird.“
3. Warum war dies der entscheidende Fehler?
- Legitimierung Hitlers: Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler verlieh ihm politische Legitimität, die er ohne die Unterstützung der konservativen Eliten niemals erhalten hätte.
- Zugang zu den staatlichen Institutionen: Als Reichskanzler erhielt Hitler Zugriff auf die staatlichen Institutionen wie die Polizei und das Militär. Er nutzte diese Macht, um die Opposition auszuschalten und seine Diktatur zu errichten.
- Ermächtigungsgesetz: Bereits wenige Wochen nach seiner Ernennung setzte Hitler das Ermächtigungsgesetz durch, das ihm diktatorische Vollmachten verlieh. Die konservativen Eliten hatten nun keine Möglichkeit mehr, ihn aufzuhalten.
4. Alternative Szenarien
Ein oft diskutiertes historisches „Was-wäre-wenn“ betrifft die Frage, ob Hitler hätte verhindert werden können, wenn die konservativen Eliten nicht mit ihm paktiert hätten:
- Ohne ihre Unterstützung: Ohne die Unterstützung der konservativen Eliten wäre Hitler wahrscheinlich nie Reichskanzler geworden. Die NSDAP war zwar stark, aber auf Koalitionen angewiesen. Wären konservative Kräfte entschlossener gegen ihn aufgetreten, hätte seine Bewegung möglicherweise an Bedeutung verloren.
- Langfristige Stabilisierung der Demokratie: Hätten die Konservativen statt auf autoritäre Lösungen zu setzen die demokratischen Institutionen gestützt, wäre eine Stabilisierung der Weimarer Republik denkbar gewesen.
5. Fazit: Das Ränkespiel der konservativen Eliten als entscheidender historischer Fehler
Die Entscheidung der konservativen Eliten, Hitler in die Regierung zu holen, war der entscheidende Fehler, der zur Zerstörung der Weimarer Demokratie führte. Ihre Fehleinschätzung beruhte auf der Annahme, dass sie Hitler für ihre eigenen Zwecke nutzen könnten, ohne dass er die Kontrolle übernehmen würde.
Ian Kershaw formuliert dies treffend:
„Ohne die Bereitschaft der konservativen Eliten, Hitler in die Macht zu hieven, wäre seine Diktatur nicht möglich gewesen.“
Ablauf der entscheidenden Ereignisse, die zu Hitlers Machtübernahme führten, mit den involvierten Personen und Gruppen
Hier ist eine chronologische Darstellung der wichtigsten Ereignisse von 1930 bis 1933, die zur Machtübernahme Hitlers führten. Dabei wird auch auf die zentralen Akteure und ihre Motive eingegangen.
1. 1930: Beginn der politischen Radikalisierung
- Ereignis: Nach dem Scheitern der großen Koalition unter Reichskanzler Heinrich Brüning (Zentrum) im März 1930 regiert Brüning mit Notverordnungen auf Basis von Artikel 48 der Weimarer Verfassung.
- Involvierte Personen:
- Heinrich Brüning: Kanzler, konservativer Demokrat, der versuchte, die Krise mit Sparpolitik zu bewältigen.
- Paul von Hindenburg: Reichspräsident, Monarchist, der die Notverordnungen genehmigte.
- Konsequenz: Die autoritäre Regierungsweise schwächt das Vertrauen in die Demokratie und stärkt radikale Parteien wie die NSDAP und die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands).
2. September 1930: Reichstagswahl – NSDAP wird zweitstärkste Partei
- Ereignis: Bei der Reichstagswahl erzielt die NSDAP 18,3 % der Stimmen und wird zur zweitstärksten Partei.
- Involvierte Personen:
- Adolf Hitler: Führer der NSDAP, profitiert von der Wirtschaftskrise und der Ablehnung des Versailler Vertrags.
- Joseph Goebbels: Propagandachef der NSDAP, spielt eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung der Wählerschaft.
- Konsequenz: Die NSDAP wird als politische Kraft ernst genommen und gewinnt an Einfluss.
3. April 1932: Hindenburg wird wiedergewählt – Hitler unterliegt
- Ereignis: Paul von Hindenburg wird im zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl mit Unterstützung der demokratischen Parteien (SPD, Zentrum) wiedergewählt. Hitler unterliegt trotz massiver Propaganda mit 36,8 % der Stimmen.
- Involvierte Personen:
- Paul von Hindenburg: Steht weiterhin der Demokratie skeptisch gegenüber, bleibt aber Symbol der staatlichen Kontinuität.
- Adolf Hitler: Sieht die Wahl als Möglichkeit, sich als Führer einer Massenbewegung zu präsentieren.
- Konsequenz: Obwohl Hitler verliert, steigert die Wahl seinen Bekanntheitsgrad und seine Legitimität als Politiker.
4. Mai 1932: Sturz Brünings und Ernennung von Franz von Papen
- Ereignis: Unter Druck von konservativen Eliten und General Kurt von Schleicher entlässt Hindenburg Brüning und ernennt den parteilosen Franz von Papen zum Reichskanzler.
- Involvierte Personen:
- Franz von Papen: Ehemaliges Zentrum-Mitglied, konservativer Monarchist, plant eine autoritäre Regierung.
- Kurt von Schleicher: General und politischer Strippenzieher, verfolgt die Idee einer autoritären Neuordnung Deutschlands.
- Konsequenz: Die Regierung von Papen stützt sich nicht auf den Reichstag, sondern auf Hindenburgs Notverordnungen.
5. Juli 1932: Reichstagswahl – NSDAP wird stärkste Partei
- Ereignis: Bei der Reichstagswahl erhält die NSDAP 37,3 % der Stimmen und wird stärkste Partei. Hitler fordert die Kanzlerschaft, wird aber von Hindenburg abgelehnt.
- Involvierte Personen:
- Paul von Hindenburg: Sieht Hitler als Emporkömmling und verweigert ihm das Kanzleramt.
- Adolf Hitler: Beharrt auf seiner Forderung, Kanzler zu werden, und lehnt andere Angebote ab.
- Konsequenz: Politische Blockaden im Reichstag führen zu Neuwahlen.
6. November 1932: Reichstagswahl – NSDAP verliert Stimmen
- Ereignis: Die NSDAP verliert rund 2 Millionen Stimmen (28,8 %), bleibt aber stärkste Partei. Die KPD gewinnt leicht hinzu.
- Involvierte Personen:
- Franz von Papen: Seine Regierung ist zunehmend isoliert und verliert Rückhalt.
- Kurt von Schleicher: Setzt Hindenburg unter Druck, Papen zu entlassen und selbst Kanzler zu werden.
- Konsequenz: Papen wird gestürzt, Schleicher wird neuer Kanzler.
7. Dezember 1932 – Januar 1933: Machtkämpfe und Intrigen
- Ereignis: Schleicher versucht, eine Mehrheit im Reichstag zu finden, scheitert jedoch. Papen intrigiert gegen Schleicher und schlägt Hindenburg vor, Hitler zum Kanzler zu ernennen, während er selbst Vizekanzler wird.
- Involvierte Personen:
- Kurt von Schleicher: Letzter Kanzler der Weimarer Republik, scheitert an politischen Intrigen.
- Franz von Papen: Hauptakteur bei der Machtübertragung an Hitler, glaubt, Hitler kontrollieren zu können.
- Paul von Hindenburg: Unterzeichnet schließlich die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler auf Drängen Papens und seiner Berater.
- Konsequenz: Am 30. Januar 1933 wird Hitler Reichskanzler. Papen und Hindenburg glauben, ihn „gezähmt“ zu haben.
8. Februar – März 1933: Hitler festigt die Macht
- Ereignisse:
- Reichstagsbrand (27. Februar 1933): Hitler nutzt den Brand, um Notverordnungen gegen die Kommunisten zu erlassen.
- Reichstagswahl (5. März 1933): Die NSDAP erzielt 43,9 % der Stimmen.
- Ermächtigungsgesetz (23. März 1933): Mit Unterstützung konservativer Parteien (Zentrum) erhält Hitler diktatorische Vollmachten.
- Involvierte Personen:
- Adolf Hitler: Nutzt die Notverordnungen und das Ermächtigungsgesetz, um die Weimarer Demokratie abzuschaffen.
- Franz von Papen: Verliert jeglichen Einfluss und wird von Hitler an den Rand gedrängt.
- Zentrum-Partei: Stimmt dem Ermächtigungsgesetz zu und ermöglicht Hitlers Diktatur.
Fazit: Die konservativen Eliten als Hauptverantwortliche
Die politischen Intrigen und Fehleinschätzungen der konservativen Eliten – insbesondere von Papen, Schleicher und Hindenburg – waren der entscheidende Faktor, der Hitlers Aufstieg ermöglichte. Sie glaubten, Hitler instrumentalisieren zu können, und übersahen seine Entschlossenheit, die gesamte Macht an sich zu reißen. Dieses Ränkespiel führte direkt zum Ende der Weimarer Republik und zur Etablierung der NS-Diktatur.
Tabellarische Übersicht der Ereignisse und der Strippenzieher
Übersicht der Ereignisse und Strippenzieher
Datum / Zeitraum | Ereignis | Hauptakteure | Konsequenz |
---|---|---|---|
März 1930 | Heinrich Brüning regiert mit Notverordnungen | Heinrich Brüning, Paul von Hindenburg | Beginn der autoritären Regierungsweise, Schwächung der Demokratie |
September 1930 | Reichstagswahl: NSDAP wird zweitstärkste Partei | Adolf Hitler, Paul von Hindenburg, Joseph Goebbels | NSDAP wird ernstzunehmende politische Kraft |
April 1932 | Hindenburg wird als Reichspräsident wiedergewählt | Paul von Hindenburg, Adolf Hitler | Steigerung von Hitlers politischem Ansehen |
Fazit: Sind Konservative und Militärs Treiber für eine Diktatur?
Die Geschichte zeigt, dass konservative Eliten und Militärs in bestimmten historischen Kontexten eine bedeutende Rolle bei der Ermöglichung oder Unterstützung von Diktaturen gespielt haben. Anhand des Beispiels der Weimarer Republik und der Machtübernahme Hitlers lässt sich erkennen, dass diese Gruppen nicht unbedingt aus ideologischer Übereinstimmung mit extremistischen Bewegungen handeln, sondern häufig aus Eigeninteresse, Machtstreben und Angst vor dem Verlust ihrer privilegierten Stellung.
1. Die Rolle konservativer Eliten
In der Endphase der Weimarer Republik waren es vor allem konservative Politiker wie Franz von Papen und Kurt von Schleicher, die Hitler zur Macht verhalfen, obwohl sie ihn zunächst verachteten. Sie sahen ihn als Werkzeug, um ihre eigenen Ziele zu erreichen:
- Motivationen:
- Die Schwächung der Demokratie, die sie als Gefahr für ihre traditionelle Machtposition betrachteten.
- Die Errichtung eines autoritären Regimes, das ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen sichern sollte.
- Die Eindämmung der linken Parteien (vor allem der KPD), die sie als Bedrohung ansahen.
- Fehleinschätzung: Die konservativen Eliten glaubten, Hitler kontrollieren zu können. Sie unterschätzten seine Fähigkeit, die Massen zu mobilisieren und die gesamte Macht an sich zu reißen.
Erkenntnis: Konservative Eliten können in instabilen Demokratien zu Treibern einer Diktatur werden, wenn sie glauben, ihre eigenen Machtinteressen durch ein autoritäres Regime besser wahren zu können.
2. Die Rolle des Militärs
Das Militär war in vielen historischen Fällen ein entscheidender Akteur bei der Errichtung oder Unterstützung von Diktaturen:
- In der Weimarer Republik:
Das deutsche Militär, insbesondere die Reichswehr unter Kurt von Schleicher, war ein Gegner der demokratischen Ordnung. Es strebte nach einer autoritären Führung und sah in Hitler zunächst einen möglichen Verbündeten, um die alte militärische Stärke wiederherzustellen. - In anderen historischen Beispielen:
Militärs haben in zahlreichen Ländern durch Putsche Diktaturen errichtet (z. B. Franco in Spanien, Pinochet in Chile). Häufig geschah dies mit der Begründung, die „nationale Einheit“ oder „Ordnung“ zu bewahren und linke Bewegungen zu verhindern.
Erkenntnis: Militärs können zu Treibern einer Diktatur werden, wenn sie eine Schwächung ihrer Machtstellung oder eine Bedrohung der inneren Ordnung befürchten. In Krisenzeiten neigen sie dazu, autoritäre Lösungen zu bevorzugen.
3. Bedingungen, unter denen Konservative und Militärs Diktaturen unterstützen
- Krisensituationen: Wirtschaftliche, soziale oder politische Krisen führen häufig dazu, dass konservative Eliten und Militärs autoritäre Lösungen suchen, um Stabilität wiederherzustellen.
- Schwache demokratische Institutionen: Wenn die Demokratie als ineffektiv wahrgenommen wird, sehen diese Gruppen autoritäre Führung als eine Lösung.
- Furcht vor sozialistischen oder linken Bewegungen: In vielen Fällen unterstützten Konservative und Militärs Diktaturen, um die Ausbreitung des Sozialismus zu verhindern.
4. Gegenbeispiele: Konservative und Militärs als Verteidiger der Demokratie
Es gibt auch Fälle, in denen konservative Eliten und Militärs eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung der Demokratie gespielt haben:
- Spanien 1981: Beim gescheiterten Putschversuch von Teilen des spanischen Militärs stand König Juan Carlos I., ein konservativer Monarch, auf der Seite der Demokratie und verhinderte die Errichtung einer neuen Diktatur.
- Deutschland nach 1945: In der Bundesrepublik Deutschland unterstützten konservative Parteien wie die CDU aktiv den Aufbau und die Stabilisierung der Demokratie.
Erkenntnis: Konservative und Militärs können auch Stabilitätsfaktoren sein, wenn sie fest in ein demokratisches System eingebunden sind und dieses aktiv unterstützen.
Gesamtfazit
Konservative Eliten und Militärs können sowohl Treiber als auch Hindernisse für Diktaturen sein. Entscheidend ist der historische Kontext:
- In instabilen Demokratien mit schwachen Institutionen und starken gesellschaftlichen Spannungen neigen konservative Eliten und Militärs dazu, autoritäre Lösungen zu suchen. Dies geschah in der Weimarer Republik, wo konservative Politiker und das Militär eine Schlüsselrolle bei Hitlers Machtübernahme spielten.
- In stabilen Demokratien mit gefestigten Institutionen sind konservative Kräfte häufig integraler Bestandteil des demokratischen Systems und tragen zur Stabilisierung bei.
Lehre aus der Geschichte:
Damit konservative Eliten und das Militär keine Treiber von Diktaturen werden, müssen demokratische Institutionen stark genug sein, um in Krisenzeiten handlungsfähig zu bleiben. Zudem ist es entscheidend, diese Gruppen in die demokratische Ordnung zu integrieren und ihnen eine Rolle zu geben, die nicht im Widerspruch zu den demokratischen Prinzipien steht.